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Gebrochene Schwingen

Gebrochene Schwingen

Titel: Gebrochene Schwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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ausgingen. Er nahm ihnen den Wind aus den Segeln ihrer Gier und ergötzte sich ein wenig an ihren enttäuschten Gesichtern.
    Hinterher sagte er mir, daß Jillian ihre Freude gehabt hätte.
    »Sie waren immer neidisch auf sie«, erklärte er, »besonders die beiden Schwestern. Sie sahen so langweilig und hausbacken aus, und es war kein Wunder, daß sie keinen Mann fanden. Sie wurden dann böse und verbittert, und Jillian konnte ihre Gesellschaft nicht länger ertragen. Später hatten sie sich nicht mit Jillian abgesprochen, als sie ihre Mutter in ein Heim brachten.«
    Bei der Beerdigung war die vornehme Bostoner Kirche bis auf den letzten Platz besetzt. Einige Trauergäste mußten sogar im Gang stehen. Später rollte der Zug mit prächtigen Limousinen der High Society im Schrittempo zu dem nahegelegenen Friedhof. Es erinnerte mich an die Parade von Menschen, die zu unserer Hochzeit gekommen waren. Wenn ich mir diese Menschen anschaute, die Männer in teuren Anzügen, die Frauen in schicken Kostümen, mit Juwelen behängt, mußte ich zwangsläufig daran denken, wie die Leute in den Willies ihre Toten begruben, wie sie mit finsteren Gesichtern an den Gräbern standen und zusahen, wie einer der Ihren, sei es jung oder alt, in die Erde gelassen wurde.
    So arm und so ungebildet die Leute in den Willies auch waren, so nahmen sie doch Anteil an den anderen, und man hatte das Gefühl, alle gehörten zu einer Familie. Vielleicht wurden sie durch die schwere Arbeit, durch all die Kämpfe so eng miteinander verbunden, daß sie nicht zur Beerdigung eines Nachbarn gehen konnten, ohne ihn zu betrauern wie einen Angehörigen.
    Später, zu Haus in ihren Hütten, betrachteten sie dann ihre eigene zerbrechliche, verwundbare Existenz. Der Tod hatte freie Hand in den Willies, sie leisteten ihm wenig Widerstand.
    Die Armut machte sie schwach. Und dennoch, dachte ich, wie dumm sind doch diese Reichen, die hier mit solch einer Arroganz auftreten! Haben sie denn gar keine Gefühle, kein Mitleid? Jillians Tod sollte eigentlich bei ihnen die gleiche Art von kalter Angst erzeugen wie bei den Leuten der Willies, wenn sie sehen, wie eine der Ihren, so reich und beschützt wie Jillian es war, in die Fänge des Todes gerät.
    Ich stand neben Tony und hatte ihn untergehakt, als sie Jillians Sarg in das Grab hinabließen. Ich dachte an Troys Bitte, ihm genug Trost für uns beide zu sein. Seine Hand legte sich fest um meine, aber er weinte nicht in der Öffentlichkeit.
    Ich spürte, wie es ihn schüttelte. Dann verließen wir den Friedhof.
    »Gut«, sagte er steif, »nun hat sie die ewige Ruhe gefunden.
    Ihr Kampf ist vorüber.«
    Weder ich noch Logan sagten etwas darauf. Wir stiegen ins Auto, und Miles fuhr uns nach Farthy zurück. Rye Whiskey hatte für ein warmes Essen gesorgt, aber Tony aß fast gar nichts. Er ließ die Trauergäste allein und legte sich in seinem Zimmer schlafen. So blieb es Logan und mir überlassen, uns um die Gäste zu kümmern.
    »Müde?« fragte Logan, als wir endlich allein waren.
    »Ja.«
    »Ich auch.« Er legte mir den Arm um die Schulter.
    »Geh schon hoch«, sagte ich. »Ich komme gleich.«
    »Mach nicht zu lang«, sagte er und ließ mich allein. Ich ging nach draußen, um noch ein bißchen Luft zu schnappen, ehe ich in unser Zimmer ging. Es war die Zeit, die Granny das Zwielicht genannt hatte. Dunkelheit brach herein, und die Natur rüstete sich zum Schlaf. Ich sah hinüber zum Labyrinth und mußte an Troy denken. Ich fragte mich, wohin er wohl gegangen war und was er im Moment machte. Irgendwie wußte ich, daß er an mich dachte. Meine Gedankengänge wurden unterbrochen, als Miles das Auto vorfuhr. Curtis trat mit zwei Koffern aus der Tür, ihm folgte Martha Goodman.
    »O Martha«, rief ich und ging zu ihr hinüber. »Ich hatte ganz vergessen, daß Sie heute aufbrechen.« Ich nahm ihre Hand, dann umarmten wir uns. »Wohin werden Sie gehen?«
    »Oh, die Vermittlung hat mir schon eine neue Stelle in Boston angeboten. Ich schreibe Ihnen die Adresse. Vielleicht, wenn Sie mal in der Stadt sind…«
    »O natürlich, ich lade Sie zum Essen ein«, versprach ich. Sie nickte und lächelte, doch dann wurde ihr Gesicht traurig.
    »Ich habe bei Mr. Tatterton angeklopft, um mich zu verabschieden, aber er hat nicht geantwortet. Bitte grüßen Sie ihn von mir.«
    »Das werde ich. Passen Sie gut auf sich auf, Martha!« sagte ich. Wir küßten uns, und sie stieg in das Auto. Dabei hielt sie noch einmal inne und drehte sich zu mir

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