Gebrochene Versprechen
sich an das verschlagene Grinsen der Krankenschwester, als sie ihm am Abend zuvor die Schmerzmittel verabreicht hatte, und strampelte wütend seine Bettdecke von sich. »Sie hat mich mit Medikamenten vollgepumpt«, wiederholte er und packte die Gitter an den Seiten des Bettes. Miststück , dachte er. »Verdammt! Wie spät ist es? Haben wir die Anhörung komplett verpasst?«
»Haben wir«, rief Westy aus dem Badezimmer, während er sich Wasser ins Gesicht spritzte. »Es ist zehn Uhr, Sir.«
»Mist!« Luther hatte noch niemals zuvor in so kurzer Zeit so viel geflucht.
»Um Himmels willen«, gab Hannah zurück, die sich gebückt hatte, um frische Klamotten aus Luthers Koffer zu holen. »Schluss mit dem Theater! Davon geht die Welt nicht unter. Dann wird Jaguar eben der Prozess gemacht. Was soll’s? Wir werden ihn trotzdem da rausholen.«
Sie legte ein sorgfältig gefaltetes Hemd, Jeans, ein Unterhemd, Boxershorts sowie ein sauberes Paar Socken auf das Rolltischchen. »So haben wir immerhin mehr Zeit, uns auf unsere Aussagen vorzubereiten. Ich würde vorschlagen, wir schauen beim DIAC vorbei und suchen nach der Kopie von Ernies Notizbuch. Jetzt, da Westmoreland einsitzt, dürfte das nicht mehr allzu gefährlich sein.«
Luther schaute von der Kleidung, die sie ihm rausgelegt hatte, zu Westy hinüber, der gerade wieder aus dem Bad auftauchte. »Valentino meinte, wir könnten nicht davon ausgehen, dass Hannah jetzt sicher sei, und das Erste, was sie macht, ist ihre Verkleidung abzulegen«, wies er den Chief zurecht.
Westy warf Hannah einen scharfen Blick zu. »Was habe ich Ihnen gesagt?«, fragte er. »Jetzt gibt er mir die Schuld dafür.«
»Jetzt mach ihn nicht dafür verantwortlich«, entgegnete Hannah. »Ich habe die Maskerade satt. Das bringt doch nichts. Lovitt weiß sowieso, wer ich bin, sonst hätte er neulich Abend niemanden auf mich angesetzt, und das Individuum sitzt in Untersuchungshaft. Somit müsste ich sicher sein.«
Bill Westmoreland, der Direktor der CIA, war also das Individuum. Luther versuchte, die Neuigkeit sacken zu lassen. »Warum sollte Westmoreland dich aus dem Weg räumen wollen?«, fragte er.
Sie seufzte tief. »Ich weiß es nicht. Nach dem Tod meines Vaters ist er zum DCI ernannt worden. Vielleicht besteht da ein Zusammenhang. Aber was auch immer der Grund sein mag, er ist raus aus der Nummer. Ich kann jetzt wieder ich selbst sein.«
Luther blickte sie schweigend an. Was sie sagte, klang einleuchtend, trotzdem hatte er sich vor Sorge so versteift, dass ihm bereits der Nacken wehtat. In seinem Kopf hörte er Valentinos Worte: Ihr Job steht auf dem Spiel . »Also, was machen wir jetzt, Chief?«, wandte er sich an Westy. »Fahren wir zum DIAC?«
Westy schob die Hände in die Hosentaschen. »Warum nicht?«
»Wir werden die Kopie von Ernies Notizbuch finden und sie bei Jaguars Verfahren vor dem Militärgericht verwenden können«, ergänzte Hannah im Brustton der Überzeugung.
Luther stöhnte bei der Erwähnung des Militärgerichts laut auf. »Ich kann einfach nicht glauben, dass ich vierundzwanzig Stunden lang durchgeschlafen habe.«
»Beneidenswert«, entgegnete Hannah. »Und wie fühlst du dich jetzt? Kannst du aufstehen?«
Luther schwang die Beine über die Bettkante und richtete sich versuchsweise auf. Durch die Kanüle hatte sich auf seinem linken Handrücken ein beträchtlicher purpurroter Bluterguss gebildet, aber da er ansonsten nur noch leichte Beschwerden in der Schulter spürte, setzte er einen Fuß auf den Boden und erhob sich. Zu seinem Verdruss musste er feststellen, dass das Krankenhaushemd, das er trug, kaum den Rücken bedeckte und er darunter nackt war.
Hannah bot Luther einen Arm an, um ihn zu stützen, Westy sprang ihm auf der anderen Seite bei.
»Wie fühlst du dich?«, fragte sie, als Luther schwankend losschlurfte.
»Ganz gut«, antwortete er und hielt sie eng an sich gedrückt, damit sie sein Hinterteil nicht sehen konnte. Hätte er erst einmal gepinkelt, würde es ihm schon besser gehen.
»Vielleicht ist es besser, wenn Westy mit dir zur Toilette geht.«
Beide Männer starrten sie entsetzt an. »Nein«, entfuhr es Luther. »Ich komm schon klar. Reich mir bitte nur meine Klamotten an, ja?« Er wartete, bis sie sich abgewandt hatte, bevor er sich seitwärts ins Bad drückte.
Westy kicherte, als ihm aufging, was Luther verbergen wollte.
»Ich brauche zehn Minuten«, sagte Luther, als Hannah ihm seine Sachen gab. Dann schlug er beiden die Tür vor der Nase
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