Gebrochene Versprechen
zu. Zutiefst beschämt kam er sich überhaupt nicht wie ein Held vor.
Defense Intelligence Analysis Center
Luftwaffenstützpunkt Bolling
28. September, 14 Uhr 49
An der Sicherheitskontrolle des DIAC musste Luther eine Leibesvisitation durch einen pensionierten Master Sergeant der Marine über sich ergehen lassen, der ganz offensichtlich einen Groll gegen SEALs im Allgemeinen hegte.
»Der hat mir die Eier abgequetscht«, sagte Westy, nachdem er dieselbe Prozedur durchlaufen hatte. »Ich war knapp davor, ihm seine verdammte Nase zu brechen.«
Wenn ihm selbst nicht alles wehgetan hätte, wäre Luther über Westys mürrisches Gesicht in schallendes Lachen ausgebrochen. Aber das ging momentan nicht. Ihre Stimmen hallten vom Marmorfußboden des Foyers wider. Luther lehnte sich gegen eine Wand und wartete darauf, dass Hannahs neuer Ausweis eingeschweißt wurde. Die Schmerzmittel, die er beim Verlassen des Krankenhauses noch abgelehnt hatte, wären ihm in diesem Augenblick sehr gelegen gekommen.
Westy musterte ihn von oben bis unten. »Alles klar bei Ihnen, Sir?«
»Alles klar.«
»Sie sehen beschissen aus.«
»Danke, ich liebe Sie auch.«
»Mein Patenonkel erwartet mich«, verkündete Hannah, als sie sich wieder zu ihnen gesellte. »Anscheinend hat er sich bereits schreckliche Sorgen gemacht«, fügte sie etwas außer Atem hinzu. »Ich werde eine Weile brauchen, um ihn davon zu überzeugen, dass es mir gut geht. Und danach holen wir uns dann Ernies Aufzeichnungen. Hier geht’s zu den Aufzügen.«
Luther folgte ihr blind. Kalter Schweiß ließ sein Unterhemd an seinem Körper kleben. Und als der Aufzug unten ankam, musste er sich breitbeinig hinstellen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
Letztlich wurde auch Hannah darauf aufmerksam. »Du siehst nicht gut aus, Luther.«
»Mir geht’s gut. Muss mich bloß mal hinsetzen.«
»Wir sind gleich da.« Zum Zeichen ihrer Verbundenheit hakte sie sich bei ihm ein. Das gute Gefühl, das ihre Berührung in ihm auslöste, lenkte ihn für einen kurzen Moment von den Schmerzen ab.
Dabei hätte sie ihn gar nicht mehr anfassen müssen. Sie spielten nun keine Rollen mehr wie noch in Sabena, inzwischen waren sie Freunde geworden, Kameraden. Während der Gedanke daran ihm die Kraft verlieh, im fünften Stockwerk, wo der Direktor seine Zimmerflucht hatte, aus dem Aufzug zu steigen, wünschte er sich trotzdem mehr.
Eine nicht mehr ganz junge Frau in einem Nadelstreifenkostüm blickte von ihrem Schreibtisch aus Edelstahl und Grafit auf. »Willkommen daheim, Miss Geary«, begrüßte sie Hannah herzlich und wies auf eine offen stehende Tür. »Mr Newman erwartet Sie bereits.«
Hannah zog Luther mit sich. Westy folgte den beiden auf dem Fuß. »Onkel Caleb«, trällerte sie. »Ich bin wieder da!«
Ein gut aussehender Mann Ende fünfzig kam mit weit ausgebreiteten Armen um seinen Schreibtisch herum auf sie zugelaufen. »Hannah, mein Mädchen!«, rief er, zog sie in eine herzliche Umarmung und hielt sie furchtbar lange an sich gedrückt. Doch Luther erkannte, dass er es ehrlich mit ihr meinte.
»Lass dich ansehen«, sagte der Direktor und schob sie eine Armlänge weit von sich, um sie vom Scheitel bis zu den grauen Pumps an ihren Füßen mustern zu können. »Du siehst nicht sonderlich mitgenommen aus«, befand er schließlich, »wenn man bedenkt, was du alles durchgemacht hast.«
»Wie viel weißt du?«, fragte Hannah.
»Nicht viel. Aber meine Leute haben natürlich auch nach dir gesucht. Es heißt, du seiest auf Kuba gewesen! Du musst mir unbedingt erzählen, was dort passiert ist. Zumindest bist du jetzt wieder da, wo du hingehörst. Ich kann dir gar nicht sagen, wie viele Sorgen ich mir gemacht habe.«
»Es geht mir gut, Onkel Caleb«, entgegnete Hannah und tätschelte seine Wange. »Wirklich.«
Einen Augenblick lang hatte Luther den Eindruck, dem Mann würden wahrhaftig die Tränen kommen. »Wenn dir irgendetwas zugestoßen wäre … «, sagte er mit erstickter Stimme.
»Mir passiert schon nichts. Guck, ich habe meine persönlichen Bodyguards.« Sie wandte sich ab, um ihm Luther und Westy vorzustellen. »Das sind die SEALs, die mich befreit haben. Lieutenant Lindstrom … « Etwas unbeholfen streckte Luther Caleb Newman seine linke Hand entgegen, welche dieser energisch zu schütteln begann. »… und das hier ist Chief McCaffrey.«
Der Direktor wandte sich nun Westy zu. »Ich kann Ihnen beiden gar nicht genug danken«, sagte er, drückte die Hand des Chiefs und
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