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Gedankenlesen durch Schneckenstreicheln

Gedankenlesen durch Schneckenstreicheln

Titel: Gedankenlesen durch Schneckenstreicheln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gruber
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und so weiter, aber wohlgemerkt alles rund tausendmal kleiner als bei uns Menschen. Wie ein echtes Tier, nur gezippt. Die Widerstandskraft der Bärtierchen gegenüber harschen Umweltbedingungen ist unvergleichlich. Ihr Verbreitungsraum reicht vom Himalajagebirge in 6.000 Meter Höhe bis zu Tiefseeregionen 4.700 Meter unter dem Meeresspiegel, von den kältesten Gebirgen zu heißesten Wüsten, von eisigen Polargebieten bis zum tropischen Äquator. Bärtierchen können Trockenperioden, Kälteeinbrüche oder Sauerstoffmangel spielend überstehen. Sie überleben Temperaturen von nur einigen wenigen Grad über dem absoluten Nullpunkt bei minus 272 °C bis zu plus 150 °C Hitze. Man kann sie also ohne Weiteres einfrieren oder kochen, ohne dass sie sterben. Sie kommen auch mit dem Tausendfachen der radioaktiven Strahlung klar, die für Menschen sofort tödlich wäre. Mindestens eine Bärtierchenart ist in der Lage, das Sechsfache des Wasserdrucks zu überstehen, der auf dem Boden des Marianengrabens anzutreffen ist. Dort, wo bei uns Menschen im Meer beim Tauchen die Nase zuzuhalten und über die Ohren den Druck auszugleichen schon längst nicht mehr helfen, merkt das Bärtierchen nicht einmal, dass sich was verändert hat.
    Irgendwann wird es aber auch für Bärtierchen eng, und bei der äußersten Form der Anpassung gehen die Tiere in einen todesnahen Zustand über, in dem sich keinerlei Stoffwechselaktivität mehr registrieren lässt. Dann bilden sie eine walzenförmige, unbewegliche Resistenzform, das Tönnchen. Dabei werden die Beine und der Kopf gänzlich eingezogen und wird die Körperoberfläche insgesamt stark verkleinert, sodass die Bärtierchen wie winzige Tonnen aussehen. Als charakteristische Merkmale eines lebenden Organismus werden häufig Stoffwechsel, Wachstum und Fortpflanzung angeführt. Keine dieser Eigenschaften findet sich jedoch im Tönnchenstadium. Man darf die Bärtierchen in diesem Zustand getrost als scheintot bezeichnen.
    Die Rückkehr in den aktiven Zustand entspricht dann tatsächlich einer „Wiederauferstehung von den Toten“. Allerdings wird bei den Bärtierchen, nach allem, was wir wissen, dabei nicht Ostern gefeiert. Trotzdem sind die Wasserbärchen danach wieder komplett und intakt: Augen, Muskeln, Beine, alles, was ein Tier vorzuweisen hat, ist wie vorher funktionstüchtig und einsatzbereit. Das älteste lebende Bärtierchen, das wir kennen, fand man in einem botanischen Museum in Italien in einer Schachtel mit gänzlich ausgetrockneten Moosproben, die seit 120 Jahren nicht mehr geöffnet worden war. Man legte diese Moosreste ins Wasser, und schon wenig später wimmelte es von wiederbelebten Bärtierchen, die zuvor mehr als ein Jahrhundert lang Beamtenmikado * gespielt hatten. Und was machen die Racker, nachdem sie ihre Statusmeldungen gecheckt haben? Sie pflanzen sich fort. Und wenn man schon einen so extravaganten Lebensstil pflegt wie die Wasserbären, lässt man sich auch diesbezüglich nicht zum Mainstream zählen.
    Bärtierchen sind bei der Vermehrung je nach Art sehr flexibel. Man unterscheidet drei Fortpflanzungsweisen: sexuell, asexuell und Selbstbefruchtung. Wenn sich eine Wasserbärenart für Sex entscheidet, schauen die Protagonisten dergestalt aus: Beide besitzen nur eine Keimdrüse, beim Männchen führen aber von dem Solo-Hoden zur röhrenförmigen Geschlechtsöffnung zwei Leitungen. Kein Mensch und vermutlich auch kein Bärtierchen weiß, warum. Früher hat es in Wien viel mehr Straßenbahngeleise gegeben als eigentlich notwendig, damit die Tramwayzüge ausweichen konnten, wenn die Schienen durch parkende Autos blockiert waren. Seit es ein umfangreiches U-Bahn-Netz gibt, hat die Straßenbahn an Bedeutung verloren, trotzdem gibt es diese Bypässe noch hie und da. Vielleicht ist es bei den Samensträngen der Wasserbärenmännchen ähnlich. Die Weibchen haben hingegen nur einen Eierstock, der nicht redundant ist. Manchmal verzichten die Weibchen sogar auf eine eigene Geschlechtsöffnung und es kommt zu einer Fusion mit dem Anus zu einer Kloake. Die Befruchtung kann sowohl außer- als auch innerhalb des Körpers der Weibchen stattfinden. Bei manchen Arten umkreist zunächst das Männchen das Weibchen, das sich währenddessen kaum bewegt. Der männliche Minibär macht sich dann besonders am Vorderende des Weibchens zu schaffen und berührt oder betupft es mit seiner Mundöffnung. In dieser Stellung können die Tiere längere Zeit verharren. Man geht wohl nicht fehl in der

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