Gedankenlesen durch Schneckenstreicheln
Weltraummissionen brauchen viel Energie. Man kann unterwegs aber nirgends tanken. Deshalb ist es geschickt, wenn man sich einen Landeplatz aussucht, von dem man auch wieder wegkommt. Und Phobos ist so ein Landeplatz. Der Marsmond hat nur einen Durchmesser von etwa 20 Kilometern. Entsprechend gering ist dort auch die Schwerkraft. Um zu landen und wieder zu starten, bräuchte man wesentlich weniger Energie als beim Mars. Die Fluchtgeschwindigkeit beträgt nur 40 Kilometer pro Stunde. Also alles Ortsgebiet.
Wenn man auf Phobos ein Moped hätte und eine Rampe, dann könnte man mit Vollgas dem Gravitationsfeld entkommen. Das russische Moped Fobos-Grunt hätte auf Phobos Proben entnehmen und sie zur Erde zurückbringen sollen, was ein gewaltiger Fortschritt für die Weltraumforschung gewesen wäre. Bedauerlicherweise stürzte das Raumschiff aber nach circa 1.100 Erdumrundungen in 69 Tagen am 15. Jänner schon wieder ab. Auf die Erde.
Das weiß man sicher. Aber kurioserweise nicht, wohin. Jedoch nicht, weil 40 Kilometer pro Stunde zu langsam fürs Radar sind – zudem war das Raumschiff zum Absturzzeitpunkt deutlich schneller unterwegs. Fobos-Grunt war auch nicht besonders klein, sodass man es hätte übersehen können. Mit 13 Tonnen Gewicht war es sogar riesig. Und dadurch, dass nur die erste Antriebsstufe gezündet wurde, war noch ein Großteil des Treibstoffes vorhanden. Etwa acht Tonnen. Wenn acht Tonnen Raketentreibstoff in der Atmosphäre verglühen, kann man zu Recht ein gewaltiges Feuerwerk erwarten. Dennoch: Niemand hat das verglühende Schiff beobachtet und gesehen, wo die Trümmer eingeschlagen sind. Und zwar auch nicht, weil sich niemand um deren Entsorgung kümmern will. Warum dann? Weil der mögliche Absturzbereich von Fobos-Grunt wirklich groß ist. Fobos-Grunt ist mit einer Geschwindigkeit von etwa 30.000 Stundenkilometern fast waagrecht in die Lufthülle eingetaucht. Ballistische Rechnungen können den Zeitpunkt des Absturzes zwar bis auf plus/minus 20 Minuten einengen, aber bei dieser hohen Geschwindigkeit entspricht das einer riesigen Distanz von 20.000 Kilometern, innerhalb der Fobos-Grunt abgestürzt sein könnte. Also entweder bei Punkt A oder erst 20.000 Kilometer weiter bei Punkt B. Oder irgendwo dazwischen.
Das Absturzgebiet kann daher konkret vom östlichen Pazifik über Südamerika bis in den westlichen Atlantik reichen. Genauer kann es niemand bestimmen. Und weil es auf der Erde wirklich viel Meer gibt, das teilweise sehr tief ist, besteht auch wenig Hoffnung, dass man die Überreste noch findet. Als Besatzung an Bord der Fobos-Grunt waren übrigens die zehn widerstandsfähigsten Lebewesen der Erde. Diese Lebewesen sind zwar sehr widerstandsfähig. Ein Wiedereintritt in die Erdatmosphäre mit Verglühen übersteigt ihre Fähigkeiten dann aber doch beträchtlich. Wie qualifiziert man sich für die Charts der zehn widerstandsfähigsten Lebewesen? Indem man extremophil ist. Das ist längst nicht so ordinär, wie es klingt, es bedeutet lediglich, dass man außerordentlich außerordentliche Lebensverhältnisse aushalten kann. An Bord waren Bakterien, Pilze und Tierchen. Tierchen sind in dem Fall nicht kleine Tiere, die sich leicht in der Hand halten und streicheln lassen, sondern Bärtierchen, auch bekannt als Wasserbären. Der Wasserbär, Sie erinnern sich, stand neben Seehase und Wurmgrunzer zu Anfang des Buches zur Auswahl bei der Frage, was Sie gerne wären. Dass Sie lieber Wurmgrunzer sein wollen sollten, wissen Sie bereits, aber was kann der Wasserbär und wie verbringt er seine Freizeit?
Die Gummibärenbande
Bärtierchen oder Wasserbären sind in mehrfacher Hinsicht ganz außergewöhnlich. Der Name kommt daher, dass Bärtierchen in Aussehen und Bewegung ein wenig an Bären erinnern. Im Englischen nennt man sie auch noch Moosferkel, weil sie gerne im Moos wohnen, aber man findet sie praktisch überall, auch an den extremsten Orten und Gebieten auf unserer Erde. Nicht nur dass diese Lebewesen ein besonders entzückendes Aussehen haben, sie gehören auch zu den zählebigsten Tieren, die unter den widrigsten und lebensfeindlichsten Umweltbedingungen überleben können. Bärtierchen sind zwischen 0,05 und 1,2 Millimeter groß, haben einen zylindrisch geformten Körper, der bauchseitig abgeflacht ist, und bestehen aus vier Körpersegmenten mit insgesamt acht Beinen. Trotz ihrer Kleinheit sind sie ziemlich hoch entwickelte Tiere. Sie besitzen Beine, Krallen, Muskeln, Augen, Magen, Mund, Nerven
Weitere Kostenlose Bücher