Gedankenmörder (German Edition)
den USA seien und so schnell nicht in Bremen zu erwarten seien. Wenig später sei ‹Sven› erneut bei Birgit Lange auf der Intensivstation aufgetaucht. Er soll sehr mitgenommen gewirkt haben.»
Die Beamten schwiegen.
«Ich habe noch etwas», ergriff Petersen überraschend das Wort. «‹Sven› muss ein starker Raucher sein. Das könnte bei der Überprüfung aller männlichen Patienten seiner Altersgruppe hilfreich sein.»
«Und wie kommen Sie jetzt darauf?», fragte Steenhoff verblüfft. Petersen strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und sah ihn direkt an.
«Der Feuerwehrmann, der Birgit Lange aus dem demolierten Fahrzeug geschnitten hat, hat sich heute Morgen bei mir auf dem Handy gemeldet. Ihm war plötzlich eingefallen, dass der Helfer, der damals nach dem Unfall zu Birgit Lange ins Auto gekrochen ist, auffällig braune Finger hatte.»
Petersen verschwieg, dass der Feuerwehrmann für diesen Hinweis ein gemütliches Abendessen mit ihr eingefordert hatte. Sie hatte nur mit Mühe ihren Ärger zurückhalten können.
«Ich muss leider ablehnen», hatte sie in den Telefonhörer gesäuselt. «Aber Mann, Beruf und vier Kinder lassen mir wirklich kaum Zeit für andere Dinge.»
Das Gespräch war daraufhin rasch beendet.
Anschließend berichtete Steenhoff von seiner Begegnung mit der Prostituierten, ihren Hinweisen zu der toten Ukrainerin Irina Shkutiak und zum Schluss über die drei Löcher im Waldboden.
Vera Börder, die Kollegin, die aus dem Kommissariat für Sexualdelikte zur Mordkommission gewechselt war, brachte die Stimmung unter den Ermittlern mit einem Satz auf den Punkt: «Je mehr wir von dem Täter erfahren, umso unheimlicher wird er mir.»
Lange zerbrachen sie sich darüber den Kopf, was es zu bedeuten hatte, dass der Mörder sein Opfer fotografierte oder filmte. Reichten ihm seine Phantasien oder grausigen Erinnerungen nicht mehr oder war es eine Art Beweis oder gar zusätzlicher Triumph über das Opfer?
«Vielleicht macht er auch Geld mit den Aufnahmen», sagte Ludwigmann. «Ihr wisst schon, so eine Art Snuff-Video. Angeblich verdienen sich die Täter damit eine goldene Nase.»
Der Einwurf löste sofort eine lebhafte Diskussion unter den Beamten aus. Die meisten konnten sich nicht vorstellen, dass ausgerechnet in Bremen die Folterung und Ermordung eines Menschen gefilmt werden würde, um anschließend den Film als sogenanntes Snuff-Video zu Geld zu machen.
«So etwas hatten wir in den vergangenen 20 Jahren, seit ich bei der Mordkommission bin, noch nie», warf Kommissariatsleiter Bernd Tewes ein. «Allerdings gebe ich zu, dass der Tätertyp höchst ungewöhnlich ist und dass wir es dank Internet auch mit neuen Abgründen zu tun haben.»
Tewes musste einen Hustenanfall unterdrücken. Als er seine Stimme wiederhatte, fügte er hinzu: «Ich glaube, dass wir offen dafür sein müssen, das Unmögliche zu denken.»
Steenhoff stimmte ihm zu, war aber persönlich mehr davon überzeugt, dass der Täter die Aufnahmen für sich selber angefertigt hatte.
«Soviel ich weiß, werden Snuff-Videos an abgelegenen, schalldichten Orten gedreht», warf Rüttger ein. «Der Stadtwald beim Bürgerpark ist nun alles andere als das. Nein, ich stimme Frank zu. Der hat die furchtbaren Szenen nur für sich aufgenommen und ergötzt sich jetzt immer wieder daran.»
Einen Augenblick schwiegen alle.
«Es würde mich nicht wundern, wenn er auch die geschändeten Leichname abgelichtet hat», meldete sich Rüttger erneut zu Wort. «Dafür haben wir aber noch keine Hinweise», erinnerte ihn Steenhoff.
Sie beschlossen, das Thema erst einmal beiseitezulegen. Steenhoff bat Block, die Vernehmung des Zuhälters und die Ergebnisse der Hausdurchsuchung wiederzugeben.
Block zog einen kleinen Notizblock aus der Tasche und räusperte sich. Gemeinsam mit Petersen war er mit Abstand der Jüngste in der Runde und sichtlich nervös.
«Der Mann stammt aus Albanien und lebt schon seit 1984 in Bremen», begann Block seine Ausführungen.
«Angeblich war er mit der Ermordeten befreundet und bestreitet seinen Lebensunterhalt mit kaufmännischen Aktivitäten. Natürlich will er seine Freundin nie geschlagen haben», sagte Block. «Ihr Tod schien ihn aber mehr als Geschäftsmann zu treffen denn als Lebenspartner. Überhaupt wusste er auffällig wenig über ihre Herkunft, geschweige denn über ihre Familie in der Ukraine. In der Wohnung gab es eine ehemalige Besenkammer. Dort lag eine Matratze. Außer einem Foto von ihrer
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