Gedankenmörder (German Edition)
wegschicken lassen. Aus dem jungen Mann würde möglicherweise ein guter Kameramann, aber nie ein Journalist werden.
Zehn Minuten später tauchte am Anfang des Stichweges Marlowski in Begleitung eines Kollegen auf.
«Gerhard, Ihr müsst den Boden im Umkreis von mehreren Metern noch mal Zentimeter für Zentimeter absuchen. Auch dort im Gras, bei den Bäumen», sagte Steenhoff statt einer Begrüßung.
«Was denkst du eigentlich, was wir hier gestern Morgen gemacht haben?», brummte Marlowski böse. «Unsere Eier an der frischen Luft geschaukelt?» Steenhoff überging die Bemerkung. «Ich möchte, dass ihr nach Löchern eines Stativs im Boden sucht.»
Marlowski horchte auf. «Die drei Löcher, die wir uns nicht erklären konnten», stellte er nüchtern fest.
Steenhoff nickte.
Nachdenklich schaute Marlowski den flachen Stein in der Mitte des Weges an.
«Du meinst, er hat sie fotografiert, während er sie gefoltert hat?» Steenhoff nickte.
«Ja. Oder gefilmt. Findet bitte heraus, was das für ein Stativ gewesen sein kann und vor allem, ob er den Filmwinkel öfter gewechselt hat. Diese drei Löcher da sind von dem Stativ eines Journalisten.»
Steenhoff zeigte Marlowski die frischen Vertiefungen im Boden.
Während sich die Männer von der Tatortgruppe an die Arbeit machten, ging Steenhoff zurück zu seinem Auto. Plötzlich spürte er, dass er seit Stunden nichts mehr gegessen hatte. Er nahm sich vor, in der Kantine des Präsidiums vorbeizuschauen, um sich ein Riesenschnitzel mit einer großen Portion Pommes zu gönnen.
Doch zu seiner Enttäuschung gab es nur noch einen blassen Salatteller und die Wahl zwischen Schokoladenpudding und Roter Grütze mit Vanillesoße. Viel zu schnell schlang er das Essen hinunter. Wenig später saß er wieder an seinem Schreibtisch und versuchte, seine Gedanken zu sortieren.
Steenhoff wurde sich bewusst, dass er an diesem Vormittag im Bürgerpark in zweifacher Hinsicht Glück gehabt hatte. Der ahnungslose Kameramann hatte ihn nicht nur indirekt auf eine neue perverse Seite des Täters aufmerksam gemacht, sondern war ohne weitere Erkenntnisse brav wieder in die Redaktion zurückgekehrt. Nicht auszudenken, wenn den Medien bekannt würde, dass der gesuchte Mörder seine Opfer auch noch filmte oder fotografierte.
Die Journaille aus ganz Norddeutschland würde durch den Bürgerpark stapfen, Spaziergänger interviewen, ob sie keine Angst hätten, sich auf den Bänken des Parks zu sonnen, sogenannte Fachleute aus der Universität befragen, was in einem Menschen vor sich gehe, der Frauen die Brüste zerbiss und sie dabei ablichtete, und ihn vor allem stündlich mit Fragen nach neuen Ermittlungsergebnissen bombardierten.
‹Diese Information darf so lange nicht nach außen dringen, bis wir ihn haben›, dachte Steenhoff entschlossen.
Es hatte nach Wochen zum ersten Mal wieder geregnet. Steenhoff konnte nur hoffen, dass Marlowski den Fundort schon gründlich abgesucht oder im Tatortauto ein Zelt zur Überdachung dabei hatte. Regen und vor allem heftige Schauer waren die natürlichen Feinde der Spurensicherer. Zumindest brachte der Wetterumschwung mit sich, dass sie endlich wieder in ihrem großen Konferenzraum unter dem Dach tagen konnten und nicht mehr bei den Staatsschützern einfallen mussten.
Zu Beginn der Besprechung eröffnete Steenhoff seinen Kollegen, dass er noch etwas Neues zu erzählen hatte.
«Ich schlage aber vor, dass ihr erst mal eure Ergebnisse in die Runde gebt, damit wir nichts außer Acht lassen.»
Steenhoff sah seinen älteren Kollegen Karsten Ludwigmann an, der die vergangenen zwei Tage mit den anderen Beamten von Tür zu Tür gegangen war.
«Die Befragung der Anwohner hat nichts ergeben», sagte Ludwigmann bedauernd. «Niemand ist in der Nacht in dieser düsteren Ecke des Parks mit seinem Hund spazieren gegangen. Auch ist niemandem zu der späten Stunde ein Auto aufgefallen.»
Steenhoff nickte. Er hatte mit nichts anderem gerechnet. Dennoch gehörte das zeitaufwendige Klinkenputzen zu den Routineaufgaben nach einem Kapitalverbrechen. Auch die Vernehmung der Krankenschwester, die mit ‹Sven› telefoniert hatte, führte sie nicht weiter.
«Ich kann das in wenigen Worten zusammenfassen», sagte Rüttger ruhig. «Der Anrufer, der sich ‹Sven› nannte, wollte von der Schwester wissen, ob sich denn schon Birgit Langes Eltern gemeldet hätten. Die Frau meinte sich zu erinnern, dass sie daraufhin bedauernd verneint und darauf hingewiesen habe, dass die Eltern in
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