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Gedenke deiner Taten

Gedenke deiner Taten

Titel: Gedenke deiner Taten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
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hatte. Joe war keine Zeit geblieben, seine Maske aufzusetzen.
    »Okay«, sagte Sean, weil ihm nichts Besseres einfiel.
    »Nun denn«, sagte Joe, und Sean hörte, wie er sich unter der Bettdecke bewegte, »du hast die Polizei informiert. Und sie haben jemanden losgeschickt?«
    »Ich habe mir Roger Murphy gesprochen. Er will mit dem Boot rüberfahren.«
    »Und dann hast du dich auf den Weg gemacht. So weit, so gut. Ruf mich an, wenn du angekommen bist.«
    »Was wirst du tun?«
    »Ich lege mich wieder hin, Junge. Lass es mich wissen, wenn es Anlass zur Sorge gibt. Im Moment bin ich dir keine Hilfe.«
    Joe legte auf. Sean hielt verblüfft inne und fing zu lachen an. Nicht zum ersten Mal fragte er sich, ob Kate möglicherweise adoptiert war, wie sie zu dem Menschen heranwachsen konnte, der sie heute war. Es war ein Wunder.
    »Kate anrufen.«
    »Anruf bei Kate.«
    »Hallo.« Ihre Stimme klang fest und klar, und schon wollte Sean sich erleichtert zurücklehnen. »Ich kann leider nicht ans Telefon gehen. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht.«
    Sean rang die Enttäuschung nieder.
    »Ich bin’s«, sagte er laut und fuhr sich durch sein kurzes Haar, das sich wirr und trocken anfühlte. »Ich wollte dir nur sagen, wie leid es mir tut, dass ich nicht mit euch gefahren bin. Dass ich dich nicht zum Bleiben überredet habe. Ich bin unterwegs. Ich weiß nicht, ob tatsächlich etwas vorgefallen ist oder ob Chelsea sich grundlos Sorgen gemacht hat. Aber ich komme. Brendan ist zu Hause bei meiner Mutter. Aber selbst wenn sich das alles als dummes Missverständnis herausstellen sollte, werde ich euch nach Hause holen. Denn weißt du, was? Wir brauchen Urlaub von Heart Island und von deinen Eltern. Wir brauchen eine Pause. Okay?«
    Er war übermüdet und aufgekratzt und kam sich ein bisschen albern vor. Vielleicht hatte Joe Recht, und er übertrieb. Aber besser so, als solch eine Situation nicht ernst zu nehmen. Er wollte nicht derjenige sein, der passiv blieb, wenn seine Familie ihn brauchte.
    »Und noch etwas, Kate. Ich liebe dich. Ich liebe dich so sehr.«
    Am anderen Ende der Leitung knackte es. Sean drückte einen Knopf am Lenkrad und beendete das Gespräch. Er konnte in weniger als zwei Stunden am Yachthafen von Blackbear sein. Sean trat das Gaspedal durch.
    Kate näherte sich dem Haupthaus über den beleuchteten Weg. Der Regen hatte nachgelassen, und sie hörte die Wellen an die Klippen schlagen. Cross Island lag im Dunkeln. Bei ruhigem Seegang brauchte man für die Strecke zehn Minuten. Eigentlich konnte man sich von den Inseln zurufen, aber jetzt in diesem Moment schien Cross Island so fern wie ein anderer Planet.
    Nachdem die Mädchen verschwunden waren, hatte Kate eine seltsame Gelassenheit überkommen. Ihr war klar, was sie jetzt tun musste. Sie musste sich den Revolver beschaffen, ihre Mutter aus dem Haupthaus holen und dafür sorgen, dass alle unbeschadet von der Insel kamen, selbst wenn sie bei Gewitter ins Boot steigen mussten.
    Vor offenen Gewässern hatte Kate sich immer gefürchtet. In einem Pool oder einem überschaubar großen Becken fühlte sie sich wohl. Aber ein See oder das Meer mit seinen unberechenbaren Tiefen und dunklen Geheimnissen löste in Kate Panik aus. Als Kind hatte sie sich auf Heart Island nicht ins Wasser getraut, bei Bootsfahrten verzweifelt am Sitz festgeklammert (sie wurde schnell seekrank) und sich standhaft geweigert, ein Kajak zu besteigen. Wie wütend Birdie wurde, wenn ihre Tochter sich weigerte, vom Anleger ins Wasser zu springen und mit der Familie hinauszuschwimmen. Einmal war Birdie der Geduldsfaden gerissen, und sie hatte Kate geschubst. » Du kannst schwimmen, Katherine«, hatte sie gerufen. Das schwarze Wasser wollte sie hinabziehen und verschlingen. Aus Panik verschluckte sich Kate, ihr Verstand setzte aus. Ihr Vater sprang hinterher, hob sie auf den Anleger und hielt ihren Kopf, während sie Seewasser und Galle spuckte. Ihre Mutter stand mit verschränkten Armen daneben und schaute voller Verachtung zu. In dem Moment hatte sie Birdie gehasst.
    »Du kannst schwimmen, Katherine«, hatte ihre Mutter wiederholt und sich vor Joe und Kate aufgebaut. »Ich weiß es.«
    »Sei still«, sagte Joe. Kate vergrub ihr Gesicht an seiner Brust. Wenn er nicht wäre, wäre ich ertrunken.
    »Willst du, dass sie in ihrer Angst klein beigibt?«, fragte Birdie empört, so als habe er dem Kind Unrecht getan. »Man muss sich seinen Ängsten stellen, Kate, andernfalls geht man unter.«
    Die Möwen

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