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Gedenke deiner Taten

Gedenke deiner Taten

Titel: Gedenke deiner Taten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
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gehört, auch diese Insel.«
    Emily blieben die Worte im Hals stecken.
    »Nun ja, Joe hat damals gut verdient«, räumte Birdie ein, »aber das Vermögen habe ich mit in die Ehe gebracht. Joe hätte nie darauf verzichtet. Nicht für einen billigen Flirt.«
    Als Birdie sie mit den Worten aufgefordert hatte: »Nun, wo er weg ist, können Sie mir in aller Ruhe erzählen, was Sie hier wollen«, hatte es für Emily so geklungen, als hätte sie möglicherweise Verständnis für ihre Lage, als wisse sie längst Bescheid. Emily verspürte den Wunsch zu beichten, so als sei sie dann willkommen, als nähme die Familie sie endlich auf. Vielleicht könnten sie Joe anrufen und die Angelegenheit irgendwie klären. Sicher wäre er imstande zu richten, was in ihrem Leben so furchtbar schiefgelaufen war.
    Zunächst hatte Emily geschwiegen, aber Birdie hatte insistiert. »Lassen Sie mich Ihnen helfen, Liebes.«
    »Wir haben uns verirrt«, hatte Emily geantwortet, »wir sind gestrandet.«
    Es war die gottverdammte Wahrheit, oder?
    Vielleicht hatte Birdie erkannt, dass Emily in der Patsche saß. Eigentlich war alles nur Deans Schuld. Sie wäre nie im Leben hier, wenn Dean sie nicht mit hineingezogen und sie um ihre Hilfe gebeten hätte. Vielleicht hatte Birdie das erkannt. Und womöglich war Birdie, auch wenn es kaum anzunehmen war, selbst einmal in einer ähnlichen Lage gewesen, hatte einem Mann vertraut, der auf Abwege geraten war. Vielleicht hatte auch sie einmal eine helfende Hand gebraucht, die ihr aus der Orientierungslosigkeit heraushalf. Emily bildete sich ein, Birdie habe sie auf geheimnisvolle Weise durchschaut und biete ihr nun ihre Hilfe an.
    »Ich bin Emily«, flüsterte sie beinahe lautlos. Birdie lehnte sich vor und kniff die Augen zusammen. »Emily Burke, Joes Tochter.«
    Birdie war wie vom Donner gerührt. Und Emily hätte schwören können, dass sie das Eisengitter herunterfallen sah, als sie in Birdies Augen blickte. Birdies Gesicht erstarrte zu einer ausdruckslosen Maske. Wurde zu einem Schild. Sie hatte einen furchtbaren, unverzeihlichen Fehler begangen. Der Regen klopfte aufs Dach, die Blitze zuckten.
    »Mein Mann hat keine unehelichen Kinder«, sagte Birdie ruhig und emotionslos. Das war eine simple Tatsache.
    »Doch«, widersprach Emily. Sie mobilisierte ihre letzten Kräfte. »Ich möchte ihn anrufen. Ich stecke in Schwierigkeiten und brauche meinen Vater. Das ist er mir schuldig. Wenigstens ein Telefonat.«
    Birdie lächelte kühl und spöttisch. Emily verging vor Scham, und dann wurde sie wütend.
    »Meine Liebe«, sagte Birdie, »Joe Burke ist ganz bestimmt nicht Ihr Vater. Ihre Mutter mag es Ihnen so erzählt haben, anscheinend hat sie Ihnen sogar seinen Nachnamen gegeben. Das sähe ihr ähnlich, nach allem, was sie bei uns versucht hat. Und wie ich sehe, glauben Sie ihr tatsächlich. Aber ich muss Ihnen leider mitteilen, dass der Vaterschaftstest eindeutig ausgefallen ist. Ich weiß nicht, wer Ihr Vater sein könnte. Mein Mann ist es nicht.«
    »Sie lügen!«, rief Emily. Sie fing am ganzen Leib zu beben an, spürte die Tränen im Hals. »Er hat uns jeden Monat einen Scheck geschickt und Geld für meine Ausbildung.«
    Ein Schatten huschte über das Gesicht der alten Frau – sie schien überrascht und verärgert. Birdie fuhr ungerührt fort:
    »Martha hat ihn getäuscht. Sie war eine seiner zahlreichen Liebschaften, glauben Sie mir.« Birdie lachte leise. »Dass er Sie für seine Tochter hielt, hat ihn eine Weile bei der Stange gehalten. Irgendwann verlangte sie natürlich mehr als heimliche Treffen oder dann und wann eine Wochenendreise, aber zu dem Zeitpunkt hatte er sich längst die Nächste gesucht. Sie versuchte es mit einer Vaterschaftsklage. Deswegen der Test. Und das bittere Ergebnis. Ich wage zu behaupten, dass sie selbst glaubte, sein Kind großzuziehen.«
    »Sie lügen.«
    »Joe hat eine Schwäche für kleine Mädchen«, sagte Birdie. Sie lächelte verbittert und schüttelte traurig den Kopf. Entweder hatte sie Emily nicht gehört, oder sie ignorierte sie. »Dass er Martha Geld gegeben hat, wundert mich kein bisschen. Obwohl ich das, hätte ich davon erfahren, sofort unterbunden hätte, mit allen Mitteln. Nicht, dass er auf mich hören würde.«
    Die Stille war bleiern. Birdie schniefte. »Joe setzt seinen Kopf durch, und ich muss nachgeben. Das Problem betrifft wohl alle Frauen meiner Generation.«
    »Sie lügen!«
    Mehr fiel Emily nicht ein. Das Gefühl des freien Falls war übermächtig.

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