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Gedenke deiner Taten

Gedenke deiner Taten

Titel: Gedenke deiner Taten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
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die Blackbear Police Station«, wiederholte sie. Sie wurde unsicher, und ihre Stimme fing zu zittern an. »Wir brauchen Hilfe.«
    »Warum antworten die nicht?«, fragte Lulu. »Die Polizei muss antworten, wenn man anruft, oder?«
    Da tönte es aus dem Lautsprecher: »Hier spricht die Polizei von Blackbear. Heart Island, wir haben verstanden.« Eine verzerrte, leise Männerstimme.
    Als sie die ruhige, ferne Stimme hörte, musste Chelsea mit den Tränen kämpfen. Sie dachte an ihre Mutter und ihre Großmutter. Es waren Fremde auf der Insel, und das Gewitter tobte. Noch nie hatte sie sich dermaßen gefürchtet.
    »Wir haben Eindringlinge auf der Insel«, sagte sie, »bitte, helfen Sie uns. Over.«
    Wieder nur Flüstern und Rauschen. Genauso gut konnten sie unerreichbar auf dem Mond sitzen. Warum antwortete er nicht?
    »Sind Sie in Sicherheit?«
    »Vorläufig«, sagte Chelsea ins Mikrofon. Sie musste jetzt erwachsen sein. Sie musste tapfer sein. »Meine Freundin und ich sind in der Hütte. Meine Mutter ist auf der anderen Seite der Insel, um meine Großmutter zu suchen. Sie hat gesagt, ein Mann und eine Frau hätten an die Tür geklopft. Als sie das leckgeschlagene Boot an den Strand ziehen wollte, hat sie gesehen, wie ein anderer den Mann erschossen hat.«
    Wenn man dem Rauschen lange genug lauschte, klang es wie Stimmengewirr.
    »Heart Island, wir haben verstanden«, sagte der Polizist. »Bleiben Sie, wo Sie sind. Das Wetter ist schlecht, aber ein Boot ist unterwegs zu Ihnen. Bei den Personen auf Ihrer Insel handelt es sich vermutlich um flüchtige Straftäter. Halten Sie sich auf alle Fälle von ihnen fern. Können Sie die Tür abschließen?«
    Sie hatten gleich, nachdem sie hereingekommen waren, den Riegel vorgeschoben.
    »Melden Sie sich«, sagte die Männerstimme, »sobald Ihre Lage sich ändert. Ich bleibe am Apparat.«
    »Okay«, sagte Chelsea. Sie wollte noch mehr sagen, aber der Mann war nur eine körperlose Stimme. Er konnte ihnen nicht helfen. »Heart Island out.«
    Sie stellte das rauschende Funkgerät leiser. Sie lauschte.
    »Wenn wir jetzt sterben müssen«, sagte Lulu, »möchte ich nicht, dass du immer noch sauer auf mich bist.«
    »Wir werden nicht sterben«, sagte Chelsea.
    Sie schlich ans Fenster und spähte hinaus. Versuchte durch schiere Willenskraft, Kate und Birdie dazu zu bewegen, zur Hütte zu kommen. Aber nein, da draußen war nichts zu sehen als Dunkelheit und Bäume, die sich im Wind wiegten.
    »Chelsea, es tut mir so leid«, sagte Lulu. Sie stellte sich hinter die Freundin und umarmte sie. »Das war so dumm von mir.«
    »Ich fand ihn gut«, sagte Chelsea, »kein Wunder, dass er nicht echt war.«
    Lulu vergrub ihr Gesicht an Chelseas Hals.
    »Ich dachte, du machst dir nichts aus Jungs.«
    »Nein«, sagte Chelsea, »aber einen Jungen wie ihn habe ich noch nie getroffen. Jetzt weiß ich, warum. Er existiert nicht.«
    »Sorry«, sagte Lulu.
    »Du hast mich angelogen. Du hast Geheimnisse weitererzählt, die ich nur dir anvertraut hatte. Und alles nur, um mich in die Pfanne zu hauen.«
    Als sie das sagte, war Chelsea wieder wütend und verletzt. Aber es lenkte sie von ihren wirklichen Problemen ab.
    »So war es nicht«, jammerte Lulu. Sie machte sich los, ließ sich auf den Stuhl am Funkgerät sinken und schlang sich die Arme um die Taille. Chelsea drehte sich um. Wenn Lulu nicht direkt neben ihr war, wurde ihr kalt. »Ehrlich«, sagte Lulu.
    »Doch«, sagte Chelsea. Sie war stur und gemein. Sie wollte ihrer Freundin noch nicht vergeben. Sie hatte Lulu schon zu viel durchgehen lassen.
    »Weißt du, wie es ist, deine Freundin zu sein?«, fragte Lulu mit einem Blick auf ihre Schuhe.
    »Wie es ist, meine Freundin zu sein?«
    »Ja«, sagte Lulu mit einem filmreifen Augenaufschlag, »wie es ist, mit jemandem befreundet zu sein, der so perfekt ist?«
    Zuerst glaubte Chelsea, Lulu mache sich über sie lustig. Aber Lulus Gesicht verriet ihr, wie ernst es ihr war.
    »Du bist wunderschön und so gescheit.« Lulu hob die Hand und zählte an den Fingern ab: »Du hast eine perfekte Familie. Deine Eltern lieben dich. Dein Vater ist berühmt. Du hast alles und bist dir dessen nicht mal bewusst.«
    War Lulu wirklich so dumm?
    »Du findest, ich bin um meine Freunde zu beneiden?«, sagte Lulu laut und dämpfte schnell ihre Stimme. »Die Jungen mögen mich, weil ich mit ihnen ins Bett gehe. Nur deswegen! Meine Eltern haben nie Zeit für mich. Mein Bruder geht immer wieder auf Entzug. In der Schule komme ich kaum

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