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Gedenke deiner Taten

Gedenke deiner Taten

Titel: Gedenke deiner Taten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
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Charakterschwäche? Birdie hätte den Mann ohne mit der Wimper zu zucken erschossen, aber sie war nirgends zu sehen.
    »Ist schon gut«, sagte Kate, »allen geht es gut.«
    Als sie Chelsea neben sich spürte, verschwanden Panik und Angst. Die Anspannung wich aus Kates Schultern und Armen, und endlich bekam sie wieder Luft. Jetzt nur noch raus hier! Sie würden zum Anleger laufen und diesen Ort des Schreckens verlassen. Kate zog die Mädchen mit sich.
    Als sie aus der Hütte traten, sahen sie die ersten Flammen aus den Baumwipfeln schlagen. Der Wind hatte nach Norden gedreht und trug die beißenden Rauchschwaden in ihre Richtung. Ungläubig starrten sie in den Wald. Chelsea fing wieder zu weinen an. Kate meinte zu träumen. Auf einmal stand Birdie neben ihnen.
    »Oh mein Gott«, sagte Lulu, »es brennt.«
    Auf einmal hatte Kate das Gefühl, das alles schon einmal erlebt zu haben; die Flammen über den Bäumen, die weinenden Mädchen, das Gewicht von Birdie, die sich auf Kates Schulter gestützt hatte.
    Für Tränen blieb ihnen keine Zeit. Zu ihrer großen Überraschung fühlte Kate nichts für das brennende Haus oder für die Gegenstände darin. Sie hatte alles, was ihr lieb und teuer war, hier bei sich. Wie durch ein Wunder waren sie gerettet worden. Solange sie es schafften, sich vorher in Sicherheit zu bringen, konnte die Insel sich ruhig in einen Haufen Asche verwandeln.
    Obwohl nichts zu sehen war als die Flammen über den Bäumen, wusste Birdie sofort, dass das Haupthaus brannte. In der Luft hing nur noch ein leichter Nieselregen. Die Bäume waren feucht, so dass sich der Schaden vielleicht in Grenzen hielt. Als Birdie ein kleines Mädchen war, hatte es auf einer der Nachbarinseln gebrannt. Obwohl es damals ebenfalls geregnet hatte, war das Haus zerstört worden. Die Feuerwehrboote waren zu spät gekommen, und am Morgen ragten die verkohlten Bäume wie schwarze Striche in den Himmel. Von dem Gebäude war nur ein qualmendes Gerüst übrig geblieben. Ein Brand auf Heart Island war immer Birdies schlimmster Albtraum gewesen.
    Irgendwie hatte Joe es geschafft, ihr auch noch das zu nehmen. Sie starrte in die Flammen; sie hätte es ahnen müssen. Der Feuerschein spiegelte sich in den weit aufgerissenen Augen der Mädchen wider. Während die drei wie gebannt das flammende Inferno am anderen Ende der Insel beobachteten, erlebte sie ein Déjà-vu.
    Hatte Caroline nicht immer behauptet, es habe hier schon einmal gebrannt? Angeblich war das Haus des ersten Inselbesitzers nach einem Blitzschlag abgebrannt. Birdie hatte nie auf ihre Schwester gehört, die eine fremde Sprache zu sprechen schien und überall dort das Schöne und Sinnvolle sehen wollte, wo doch nichts war als kalter, banalster Alltag. Caroline hätte sich darüber gefreut, dass die Insel – oder wenigstens das Haus, das Joe gebaut hatte – brannte. Sogar Birdie musste diese Ironie des Schicksals anerkennen.
    »Mom?«, sagte Kate mit angstverzerrter Stimme. »Wir können nicht mehr zum Anleger.«
    Sie hatte Recht. Selbst wenn das Feuer nicht auf den Wald übergegriffen hatte, was gut möglich war, würde der Rauch sie vergiften. Vielleicht hatten die Flammen den Anleger längst erreicht. So oder so – das Feuer hatte ihnen den Weg abgeschnitten.
    »Ihr müsst«, sagte Birdie, »um die Insel herumschwimmen.«
    Kate starrte in die Dunkelheit. Birdie sah, wie sich in ihrem Gesicht die uralte Angst vor dem schwarzen Gewässer widerspiegelte. Aber dieses Mal bewies Kate Courage und ließ sich nicht unterkriegen. Womöglich war ihre Tochter ihr doch ähnlicher, als sie dachte. Kate hatte Carolines Schönheit, Joes großes Herz und Birdies Mut geerbt. Warum hatte Birdie es nicht früher gemerkt?
    »Braves Mädchen«, sagte sie und tätschelte Kates Wange. »Du bringst die Kinder zum Boot.«
    Kate runzelte verwirrt die Stirn.
    »Was ist mit dir? Du musst mit uns kommen.«
    »Nein«, sagte Birdie und sah zum Haus hinüber, »ich werde versuchen, das Feuer zu löschen.«
    »Mom«, sagte Kate und folgte ihrem Blick. Kein vernünftiger Mensch käme auf den Gedanken, sich dem Haus noch zu nähern. Im Brandfall war es das oberste Gebot, sich in Sicherheit zu bringen. »Nein!«
    »Bitte«, sagte Birdie. Sie musste ein Schluchzen unterdrücken. »Dieser Ort ist alles, was ich habe.«
    »Aber Grandma, du hast uns!«, rief Chelsea. »Deine Familie.«
    Das traurige, verständnislose Gesicht der Enkelin hätte Birdie fast dazu bewegt, sich den anderen anzuschließen. Lulu war

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