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Gedenke deiner Taten

Gedenke deiner Taten

Titel: Gedenke deiner Taten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
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Insel abgesucht und nichts gesehen«, erklärte John atemlos. »Ich glaube, da ist niemand.«
    Die Männer halfen Birdie, Lebensmittel und Wäsche ins Haus zu tragen. Immerhin hat es sich gelohnt, sich zu Tode zu ängstigen, dachte sie. Sie war müde, und ihr Ischias schmerzte höllisch; nur deswegen hatte sie sich nicht gewehrt, als Roger ihr die Tüten abnahm.
    Sie kochte Kaffee und erzählte Roger von dem Mann, den sie heute schon zwei Mal gesehen hatte. Die Fliegentür erwähnte sie nicht. Sie wusste, dass beide Männer sie für eine alte, verwirrte Frau hielten. Wozu sollte sie sie darin bestärken? Offenbar fühlte John Cross sich verpflichtet, noch ein bisschen zu bleiben. Er sah sich im Haus um, betrachtete die Bilder, zog das eine oder andere Buch aus dem Regal, stellte es vorsichtig wieder zurück. Er war ein neugieriger Mensch. Während er in ihren Sachen herumstöberte, fiel Birdie ein, dass er sich angeblich für die Geschichte der Inseln interessierte. Die alte Frau im Laden für Bootsbedarf hatte ihr erzählt, er habe irgendetwas mit einem Exzentriker zu tun, der vor langer Zeit hier gelebt habe. Angeblich hatte er ihr Löcher in den Bauch gefragt. Ein Schwätzer, so hatte sie ihn genannt. Er wühlte in der Vergangenheit und sprach an, was andere lieber vergessen wollten. Die Frau hatte so geklungen, als wollte sie Birdie dazu bringen, aus dem Nähkästchen zu plaudern. Aber Birdie hasste jede Form von Klatsch. Das war unter ihrer Würde.
    »Wie Sie beide sicher wissen«, sagte Roger Murphy, »kam es in der letzten Zeit vermehrt zu Einbrüchen und Vandalismus.«
    Er hatte sich an den langen Eichenholztisch gesetzt. Er war zu breit für den Stuhl, und Birdie fürchtete, er könnte sich zurücklehnen und die Lehne ginge kaputt. Sie erinnerte sich an Roger als jungen Mann. Oft war er ohne Hemd, mit gebräuntem, durchtrainierten Oberkörper herumgelaufen. Sie und Caroline hatten ihn kichernd beobachtet, wenn er das Boot betankte oder ihr Gepäck aus dem Auto hievte. Damals hatte er männlich und attraktiv ausgesehen, war fleißig und bodenständig und so ganz anders als die reichen Dandys zu Hause in der Privatschule. Obwohl er tiefe Falten um die Augen hatte und nur noch ein Schatten des Jünglings von damals war, erkannte Birdie ihn wieder. Sie fragte sich, was er in ihr sehen mochte.
    »Die meisten Einbrüche ereignen sich aber im Herbst oder Frühjahr, wenn die Inseln unbewohnt sind.«
    John grunzte zustimmend, Birdie schwieg. Das alles war ihr nicht neu. Der Mann, den sie gesehen hatte, war keinesfalls ein Vandale oder übermütiger Teenager.
    »Was genau haben Sie beobachtet, Mr. Cross?«, fragte Roger.
    »Ich habe am Schreibtisch gesessen. Von dort kann ich die Insel und den Anleger der Burkes sehen. Joe und Birdie sind abgefahren, und einige Stunden später sah ich Birdie allein zurückkommen. Sie ist gestürzt, da bin ich sofort herübergekommen.«
    »Und im Haus?«
    »Das Haus kann ich von meiner Insel leider nicht sehen.«
    Gott sei Dank, dachte Birdie. Eine eigene Insel hatte man schließlich nur, um nicht beobachtet zu werden.
    »Haben Sie etwas gehört, Birdie?«, fragte Roger.
    »Was denn?« Sie klang ungewollt schnippisch.
    Er sah sie verwundert an und zuckte die Achseln.
    »Ein Boot vielleicht?«
    Birdie schüttelte den Kopf.
    »Nein, nichts dergleichen.«
    »Eine andere Idee habe ich nicht«, sagte Roger. »Der Eindringling muss mit einem Boot entkommen sein, das auf der Rückseite der Insel festgemacht war.«
    Oder Birdie hatte sich alles nur eingebildet. Sicher glaubte Roger das, er sprach es bloß nicht aus. Sie wollte ihm klarmachen, dass sie tatsächlich zwei Mal jemanden gesehen hatte, einen Mann aus Fleisch und Blut. Sie war weder verrückt noch senil. Aber Birdie hatte nicht die nötige Kraft für einen Wutausbruch. Roger wusste nur zu genau, dass man auf der Rückseite der Insel nicht anlanden konnte. Die Klippen waren spitz und gefährlich. Johns skeptische Miene sprach Bände.
    »Ja, mag sein«, sagte Birdie resigniert.
    Roger bestand darauf, beide Häuser und die Blockhütte persönlich in Augenschein zu nehmen und die Insel einmal zu umrunden. Birdie fragte sich, ob er einfach nur neugierig war. John Cross begleitete ihn. Er hatte die Hände in den Taschen vergraben und blickte entschlossen drein. Seine Windjacke war von Burberry und musste ein Vermögen gekostet haben. Birdie hatte Theodore eine ähnliche schenken wollen, aber er hatte sie zurückgeschickt. Nicht mein Stil,

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