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Gedenke deiner Taten

Gedenke deiner Taten

Titel: Gedenke deiner Taten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
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war. Der Verkäufer stimmte noch am selben Nachmittag überglücklich zu. Das übliche Hin und Her entfiel. Sean spürte noch vor Ende der Besichtigung, dass dieses Haus hundertprozentig zu Kate und Chelsea passte. So war es mit Menschen und Häusern. Was Immobilien betraf, glaubte Sean fest an die Liebe auf den ersten Blick.
    Am selben Abend traf er sich in einer Bar mit der Rothaarigen, deren Name ihm inzwischen entfallen war. Es hatte mit irgendeinem Monat zu tun gehabt – April oder June vielleicht. Er war fahrig und abgelenkt, dabei hatte er die ganze Woche ungeduldig auf das Date gewartet. Aber an diesem wie auch an den folgenden Abenden dachte er nur an Kate.
    »Versprich mir etwas«, sagte Kate und riss ihn aus seinen Träumereien. Im selben Moment rollte ein riesiger Cadillac Escalade auf die Einfahrt.
    »Alles, was du willst«, sagte Sean.
    »Fahr nicht los, wenn du zu müde bist oder es spät wird. Warte bis morgen.«
    »Keine Sorge«, sagte er zum wiederholten Male.
    »Versprich es mir!«
    »Ich verspreche es.«
    Draußen schlug jemand eine Autotür zu. Die Kinder polterten so laut wie möglich die Treppe herunter. Es klingelte an der Haustür, und im nächsten Moment zerrten Lulu und Chelsea Lulus schweren Koffer aus dem Wagen. Lulus Mutter winkte, stieg aber nicht aus (das tat sie fast nie). Sie hielt sich ein Handy ans Ohr und wirkte abgelenkt.
    Als sie davonfuhr, spürte Sean eine unerklärliche Traurigkeit. Sie verpasst was, dachte er, aber schon im nächsten Moment piepte sein Handy. Seine Kollegin Jane hatte ihm eine SMS geschickt. Auch sie war früh auf den Beinen und hatte einen langen Tag vor sich. Er schrieb eine Antwort, während er Kates Koffer zum Auto trug. Kate sagte etwas, aber er hörte kaum zu.
    »Was hast du gesagt, Schatz?«
    Und schon saßen die drei im Auto. Kate fummelte am Navigationsgerät, die Mädchen kicherten und alberten herum. Sean verteilte Umarmungen und Küsse. Ich liebe dich. Tu, was deine Mutter dir sagt. Schnallt euch an. Du liebe Güte, könnt ihr nicht mal ein Buch lesen, anstatt euer Hirn mit diesem Elektroschrott zu grillen?
    »Warum darf ich nicht mit?«, jammerte Brendan und klammerte sich an Kate fest.
    »Du musst dich ausruhen, deinen Knöchel kühlen und gesund werden«, erklärte Kate und strich über seine wilden Locken. »Und dann kommst du mit Dad nach. Du musst ihm Gesellschaft leisten.«
    Sean hörte, wie unwohl sie sich fühlte. Sicher hatte auch Brendan es bemerkt. Kinder spürten die Schwächen der Erwachsenen genau. Brendan drückte Kate ein letztes Mal und humpelte davon.
    Während Brendan sich beleidigt zur Haustür trollte, die Mädchen über einen Film auf Lulus iPad lachten (das Problem war gelöst – natürlich besaß Lulu ein eigenes Gerät), beugte Sean sich zu Kate vor.
    Seine Frau besaß die Gabe, sich allein auf ihn zu konzentrieren, so als wäre er der einzige Mann auf Erden, selbst wenn ringsum das Chaos tobte. Sie war der einzige Mensch in seinem Umfeld, der nicht ständig auf irgendwelche Bildschirme starrte. Ihr Handy benutzte sie kaum. Sie mochte keine SMS .
    Heute Morgen, bei einem Blick in den Spiegel, hatte Sean festgestellt, dass er abgespannter aussah, als er sich fühlte. Aber Kate schaute zu ihm auf, als sei er Mister Universum.
    »Du wirst sie umhauen«, sagte sie, und ihr Lächeln ging ihm durch und durch. »Zeig ihnen, wo’s langgeht!«
    In dem Moment hätte er am liebsten alle Pläne über den Haufen geworfen. Er könnte Jane die Besichtigung überlassen, sie befördern und ihr nach seiner Rückkehr beim Verkauf helfen. Er könnte die Koffer ins Auto schmeißen und sich zu den Mädchen ins Auto setzen. Sie fuhren zwar an einen nicht besonders reizvollen Ort, und die Kinder würden sich streiten und auf der Fahrt nur Junkfood essen, aber wenigstens wären sie alle zusammen.
    Aber Sean hielt sich zurück. Er hatte seit einem Jahr keine Villa mehr verkauft und wollte Kate nicht länger auf der Tasche liegen. Er brachte es in diesem Zustand nicht über sich, Joe gegenüberzutreten, dem Hausherrn und Mr. Erfolg in Person. Sean wollte sich erst auf der Insel blicken lassen, wenn er einen Verkaufserfolg in der Tasche hatte. Bis jetzt hatte er gar nicht bemerkt, wie sehr ihn seine berufliche Situation belastete.
    Kate konnte ihm alles vom Gesicht ablesen. Sie legte ihm eine Hand an die Wange.
    »Keine Sorge«, sagte sie erneut. Er liebte ihre blasse Haut, die zartrosa Lippen und weißblonden Haare. »Es ist besser so.

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