Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gedenke deiner Taten

Gedenke deiner Taten

Titel: Gedenke deiner Taten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
Vom Netzwerk:
die Frage eingeflüstert.
    »Unter dem Fahrersitz.«
    »Und die Pistole auch?«, fragte sie.
    Dean nickte langsam. Wieder sah Emily das Licht am Ende des Tunnels. Sie könnten kehrtmachen und sich stellen. Brad war für eine Weile ausgeschaltet, er lag immer noch reglos da. Er hatte die Waffe in der Hand gehalten, die Carol verletzt und Angelo getötet hatte. Ja, sie waren seine Komplizen gewesen, aber sie hatten unter Zwang gehandelt. Sicher bekämen sie die Gelegenheit zu erklären, wie die Situation außer Kontrolle geraten war.
    Die Tür zum Motelzimmer stand offen. Ein schmaler Lichtstreifen fiel herein. Emily fühlte sich schwer und müde, sie hatte einen Kater von der Tablette, die Dean ihr gegeben hatte. Das Licht schien von einem Leuchtturm zu kommen. Wenn sie ihm folgte, kam alles in Ordnung. Sie musste mit einer harten Strafe rechnen, aber auch das würde sie überleben.
    »Ich will nicht wieder ins Gefängnis«, sagte Dean, als hätte er ihre Gedanken gelesen. Emily entgegnete nichts.
    »Aber du, du kannst umkehren«, fuhr er fort. »Du hast nichts verbrochen, Emily. Wir haben dich gezwungen. Wenn du ihnen das sagst, werden sie dir glauben.«
    Emily lehnte sich mit dem Rücken an die Wand, ohne den reglosen Brad aus den Augen zu lassen. Sie fragte sich, ob er noch am Leben war, wagte es aber nicht, sich ihm zu nähern und nachzusehen. Immer noch spürte sie seine Hände an ihrem Körper, seine Zähne an ihrem Hals. Hoffentlich war er tot. Tot und auf dem Weg in die Hölle.
    Sie wusste nicht mehr, wie lange sie und Dean dagesessen und ihren finsteren Gedanken nachgehangen hatten, als Brad leise zu stöhnen anfing. Dean hob den Kopf. Brad stützte sich auf und versuchte, den Arm zu heben, sank aber gleich wieder auf den Boden zurück. Der kam nicht so schnell wieder auf die Beine. Hoffentlich nie, dachte Emily.
    Dann kam ihr ein anderer Gedanke. Vielleicht sollten sie Brad ersticken? Sie betrachtete die Kissen auf dem Bett und stellte sich vor, ein Kissen auf Brads Gesicht zu drücken, sich mit ganzer Kraft darauf zu stützen und sein Zucken und Strampeln zu fühlen, während es mit ihm zu Ende ging.
    »Emily«, sagte Dean und schaute sie entsetzt an. »Emily, woran denkst du gerade? Ich erkenne dich nicht wieder.«
    Emily schüttelte die Bilder ab und stand auf, um ihre Sachen einzusammeln: Handtasche, Handy – der Akku war seit Stunden leer. Sie ging ins Bad und starrte in den Spiegel. Sie trug saubere Kleidung, war aber immer noch blutverschmiert. Das Blut klebte in ihren Haaren, unter ihrer Nase, unter den Fingernägeln. Sie wusch sich gründlich und warf die benutzten Handtücher ins Waschbecken. Das Blut unter den Fingernägeln ließ sich nicht entfernen.
    Als sie ins Zimmer zurückkam, lehnte Dean immer noch kraftlos an der Wand.
    »Wir brauchen Vorräte.«
    »Ich war einkaufen. Liegt alles im Auto«, sagte er. Nach einer Weile fügte er hinzu: »Tut mir leid, dass ich dich mit ihm allein gelassen habe.«
    Er hatte so viele Gründe, Reue zu zeigen. Warum entschuldigte er sich ausgerechnet dafür?
    »Komm, wir gehen«, sagte sie.
    »Wohin?«, fragte Dean und sah sie ratlos an. »Ich kann nicht zurück. Ich will nicht wieder einsitzen. Das überlebe ich nicht.«
    Wie er da am Boden saß, sah er aus wie ein kleiner Junge. Er hatte sich gewaschen und ein frisches Hemd angezogen. Sein kurzes Haar war blond, die Bartstoppeln viel dunkler. Seine hellblauen Augen wirkten wie immer jung und unschuldig.
    »Ich weiß, wohin«, sagte sie. Dean schlug die Augen nieder.
    »Fahr zurück«, sagte er. Er stand auf und stellte sich vor sie. »Ich setze dich irgendwo ab, und du rufst die Polizei. Sag ihnen, wir hätten dich freigelassen.«
    Er legte ihr seine Hände auf die Schultern und zog sie an sich. Emily sank gegen ihn. Wohin sollte sie zurück? Sie müsste sich für ihr Verhalten rechtfertigen und würde sich zu Tode schämen. Und wenn sie nicht ins Gefängnis wanderte, musste sie wieder bei ihrer Mutter einziehen, die ihr gesagt, nein, die sicher gewesen war, dass Emily scheitern würde. Sie hatte das Studium abgebrochen. Sie war arbeitslos. Auch wenn es jämmerlich war – sie hatte jetzt nur noch Dean.
    »Ich lasse dich nicht im Stich«, sagte sie. Sie hasste sich für ihre Schwäche und ihre Angst. Dean strich ihr das Haar aus der Stirn.
    »Ich mache es wieder gut«, sagte er, »du wirst schon sehen.«
    An seinem besorgten Blick sah sie, dass er es wirklich ernst meinte. Wenn die Lage nicht so tragisch

Weitere Kostenlose Bücher