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Gedenke deiner Taten

Gedenke deiner Taten

Titel: Gedenke deiner Taten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
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rang mit dem Tod. Paul war sicher am Boden zerstört.
    »Lief es im Fernsehen?«, fragte sie. »Hast du es so erfahren?«
    Sie stellte sich ihre Mutter vor dem Fernseher vor. Ob sie Emilys Arbeitsplatz wiedererkannt hatte? Hatte sie versucht, ihre Tochter anzurufen? Emily hätte alles gegeben, um jetzt mit ihrer Mutter sprechen zu dürfen. Selbst die schlimmsten Vorwürfe wären besser als diese unerträgliche Leere.
    »Woher sonst?«
    Emily sagte nichts mehr, sondern machte die Augen zu. Sie rollte sich zu einer Kugel zusammen und spürte, wie Brad ins Bett kletterte. Wie konnte Dean sie mit diesem Monster allein lassen?
    Emily spürte Brads Körper neben sich. Mit einem Finger fuhr er an ihrem Arm auf und ab. Emily hielt still. Vor Straßenkötern darf man nicht weglaufen. Brad roch nach Seife und Zigaretten.
    »Lass mich bitte in Ruhe«, sagte sie.
    Brad lachte. Es klang hässlich.
    »Du bist lustig«, sagte er. »Aber mit der Unschuldsnummer kommst du bei mir nicht durch.«
    Emily setzte sich auf, umschlang die Knie und ließ den Kopf darauf sinken. Sie ertrug Brads Gerede nicht mehr.
    »Du warst von Anfang an dabei«, sagte er. »Du hast die Tür entriegelt. Ich hatte es dir ehrlich gesagt nicht zugetraut. Aber du hast es gemacht.«
    So viel hatte er mit ihr nicht geredet, seit er am Vortag ihr Wohnzimmer betreten hatte. So viele zusammenhängende Sätze hätte Emily ihm gar nicht zugetraut.
    »Leck mich«, sagte sie und sah ihn dabei an. »Leck. Mich.«
    Er packte sie bei den Haaren, und Emily riss beide Hände hoch. Brads Gesicht war direkt vor ihrem. Unter seinen Bartstoppeln sah sie eine lange rote Narbe. Seine Augen waren blutunterlaufen.
    »Tief im Herzen bist du genauso verkommen wie wir alle«, flüsterte er ihr ins Ohr. Sein Atem war heiß, und seine Bartstoppeln kratzten wie Schmirgelpapier an Emilys Wange. »Du willst es bloß nicht zugeben.«
    »Lass mich los«, zischte Emily. Sie wurde lauter: »Lass mich los!«
    Auf einmal war er über ihr, er hockte auf ihren Beinen und drückte ihre Arme in die Matratze. Er war mindestens fünfzig Kilo schwerer als sie und so stark, dass sie sich kaum noch rühren konnte. Im ersten Moment schossen Wut, Angst und Scham in ihr hoch, im nächsten Augenblick sackte sie kraftlos zusammen.
    »Lass mich los«, wiederholte sie leise. Ihr Stimme war nur noch ein Flüstern, und sie fühlte sich wie in einem Traum, in dem sie schreien wollte, es aber nicht konnte. Brad beugte sich herunter und presste seinen Mund auf ihren. Emily spürte seine Zähne, seine warme Zunge. Er küsste sie nicht, er versuchte, sie zu verschlingen. Er grunzte wie ein Schwein und vergrub sein Gesicht an ihrem Hals. Emily fing an zu strampeln und zu schluchzen. Als er wieder versuchte, seinen Mund auf ihren zu drücken, biss sie ihm, ohne zu zögern und mit voller Kraft, in die Unterlippe. Mit einem Schmerzensschrei wich er zurück. Emily hatte Blut im Mund.
    »Du verrückte Schlampe!«, rief Brad, eher belustigt als wütend. Er holte aus und schlug ihr ins Gesicht.
    Emily heulte auf und versuchte vergeblich, ihn abzuschütteln. Im selben Moment trat Dean ein. Er blieb für eine Sekunde auf der Schwelle stehen und ging dann auf Brad los. Dean war kleiner und leichter, aber in seiner Wut wurde er zum Berserker. Er prügelte auf Brads Hinterkopf ein. Die beiden Männer fielen vom Bett, und Emily rollte sich zur Seite. Dean gewann die Oberhand und schlug wie von Sinnen auf Brads Gesicht ein, bis Emily ihn von seinem Opfer herunterzerrte.
    »Aufhören!«, schrie sie, »hör auf!«
    Brad lag reglos am Boden. Er hatte eine stark blutende Platzwunde im Gesicht. Dean schnappte nach Luft, sein Brustkorb hob und senkte sich.
    »Hat er dir wehgetan?«, brachte er zwischen zwei Atemzügen heraus.
    »Nein«, sagte Emily und erkannte ihre eigene Stimme kaum wieder. Ihr Kiefer schmerzte. Wahrscheinlich würde er anschwellen und blau anlaufen.
    Brad fing leise zu stöhnen an, bewegte sich aber nicht.
    »Mein Gott«, sagte Dean. »Wir sind im Arsch. Wir sind so was von im Arsch. Em, was sollen wir bloß tun?«
    Obwohl sie vor Wut auf ihn und auf sich kochte, umarmte sie Dean und hielt sich an ihm fest. Sie vergrub ihren Kopf an seinem Hals, krallte ihre Finger in den weichen Baumwollstoff seines Hemds. Sie hatte das Gefühl, sich wie eine Ertrinkende an ihn klammern zu müssen. Immer noch hatte sie Brads Worte im Ohr. Hatte er die Wahrheit gesagt?
    »Wo ist das Geld?«, fragte sie. Es war, als habe ein Dritter ihr

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