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Gedenke deiner Taten

Gedenke deiner Taten

Titel: Gedenke deiner Taten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
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aber sie ließ sich nicht aufhalten und bewegte sich langsam auf die Tür zu, Birdie folgte ihr.
    »Sie haben wirklich ein wunderschönes Haus«, sagte Kate noch einmal, ohne sich umzudrehen. Dann hörte sie einen dumpfen Schlag.
    »Du liebe Güte«, rief John und zog ein überraschtes Gesicht. Kate fuhr herum und sah Birdie am Boden liegen.
    »Meine Mom behauptet, auf dieser Insel gäbe es Geister«, sagte Chelsea.
    Lulu saß auf einem Barhocker am Küchentresen. In der Küche hatte sie sich nicht nützlich machen können, aber immerhin hatte sie den Tisch vorbildlich gedeckt. Wie eine Karikatur ihrer selbst lackierte sie sich nun die Fingernägel und tippte gleichzeitig auf ihr Smartphone ein, immer in der Hoffnung auf ein Netz.
    »Meine Mutter behauptet, es gäbe die Zahnfee«, antwortete sie, ohne den Kopf zu heben. »Glauben wir, was unsere Mütter uns erzählen? Nein.«
    »Auf dem Aussichtsfelsen, dem höchsten Punkt der Insel, steht manchmal eine Frau, die zum Festland schaut«, fuhr Chelsea unbeeindruckt fort. »Und manchmal streift ein Mann herum. Und noch jemand, an den ich mich nicht erinnern kann. Sie hat es alles in ihrem Buch aufgeschrieben.«
    Chelsea warf einen Blick auf den Braten. Er schien fast gar zu sein. Mom und Birdie waren nun schon über zehn Minuten zu spät. Was Chelsea irgendwie ratlos machte. Noch nie hatten sich Mutter oder Großmutter verspätet, und ohne Handyempfang konnte sie sie nicht einmal anrufen. Chelsea beschloss, den Braten aus dem Ofen zu holen, und griff zu den Topflappen. Sie stellte das brutzelnde Fleisch unter lautem Geklapper auf der Herdplatte ab. Lulu hob leicht gelangweilt den Kopf.
    »Ja klar«, sagte sie, »die gefürchtete Abrechnung.«
    »Nein«, widersprach Chelsea. »Es handelt sich um einen Roman. Reine Fiktion.«
    Eigentlich durfte sie den Roman nicht lesen. Aber niemand hatte es ihr ausdrücklich verboten . Während ihre Mutter an dem Roman schrieb, schlich Chelsea sich regelmäßig ins Arbeitszimmer. Das Leben ihres Vaters war für sie ein Buch mit sieben Siegeln, voller Geheimnisse und geschwärzter Passagen. Ihre Mutter hingegen war ihr gegenüber immer offen gewesen. Der Gedanke, sie könnte nicht alles über Kate wissen, war für Chelsea nur schwer zu ertragen. Der Roman schien halb erfunden und halb autobiografisch zu sein. Welche Teile in welche Kategorie gehörten, konnte Chelsea allerdings nicht immer sagen. Kate zu fragen hatte sie sich nicht getraut.
    »Oh«, sagte Lulu und wandte sich wieder ihren Fingernägeln zu. Lulu interessierte sich nicht für Bücher und Literatur, es sei denn, es ging um Harry Potter oder Twilight , und selbst dann bevorzugte sie die Filme. Und obwohl sie die Gleichgültige spielte, fragte sie plötzlich: »Hast du denn jemals einen gesehen? Einen Geist, meine ich.«
    »Nein.« Chelsea wünschte, es wäre anders.
    Am besten, sie deckte den Braten mit Alufolie ab. Sie war ein bisschen stolz darauf, dass sie daran gedacht hatte. Warf Kate ihr das nicht immer wieder vor? Es wäre schön, wenn ich dich nicht ständig darum bitten müsste, den Tisch abzuräumen, den Müll rauszubringen und den Geschirrspüler auszuräumen . In deinem Alter könntest du auf so was auch selbst kommen.
    Chelsea sah aus dem Fenster und entdeckte die roten und grünen Navigationslichter und das weiße Licht unter dem Verdeck, als das Boot sich näherte.
    »Ich gehe runter zum Anleger und fange das Tau«, sagte sie.
    »Ich habe ein Netz!«, rief Lulu aufgeregt. Sie ging zum Sofa, anstatt Chelsea ihre Hilfe anzubieten. Wie eine Verrückte tippte sie mit beiden Daumen auf das Gerät ein, als Chelsea hinausging.
    Es war früh am Abend; die Sonne war noch nicht untergegangen, stand aber so tief am Himmel, dass dort, wo Bäume standen, die Insel im Schatten lag. Chelsea lief über den beleuchteten Pfad zum Anleger und war froh, kurz für sich zu sein. Es war, als hätte die Insel sie erwartet, und nun tat es ihr beinahe leid, eine Freundin mitgebracht zu haben, die Heart Island nicht genießen konnte und Chelsea obendrein ablenkte.
    Beim ersten Rundgang hatte Chelsea gleich gemerkt, dass Lulu die Insel mit anderen Augen sah und nicht verstand, was daran so besonders sein sollte. Chelsea erzählte von den Schmetterlingen, die man mit ein bisschen Glück um diese Jahreszeit zu Tausenden antraf. Lulu schien nicht zu verstehen, wie atemberaubend schön, wie königlich dieser Ort war. Sie hatte nichts im Kopf als Conner Lange und Chelseas Internetfreund Adam

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