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Gedenke deiner Taten

Gedenke deiner Taten

Titel: Gedenke deiner Taten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
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Moment, bitte«, sagte er und verschwand. Kate hörte ihn durchs Haus poltern. Birdie starrte einen Punkt an der Decke an.
    »Mom«, sagte Kate, »was ist denn?«
    »Nichts«, antwortete Birdie. Sie versuchte zu lächeln, brachte aber nur eine gequälte Grimasse zustande. »Mir geht’s gut.«
    John kam mit einem gerahmten Foto zurück, das er Birdie überreichte. Kate stand auf und stellte sich hinter ihre Mutter. Das Verlangen zu gehen war übermächtig geworden; sie machte sich Sorgen um die Mädchen, außerdem fürchtete sie sich vor dem weiteren Verlauf des merkwürdigen Gesprächs und dass der Gastgeber wieder von Sebastian anfing. Auf sie wirkte John Cross wie der geborene Fan, der selbst als Erwachsener für erfolgreiche Autoren schwärmt und ihre Nähe sucht wie ein Groupie. Aus unerfindlichen Gründen hatte Sebastian eine ganze Armee solcher Anhänger, fast so wie Richard Cameron. Und diese Anhänger waren scheinbar überall, sogar hier.
    »Ist er das?«, fragte Kate beim Blick über Birdies Schulter, obwohl sie die Antwort kannte. Im Internet war sie auf zahlreiche Abbildungen des Mannes gestoßen.
    John nickte.
    »Sehr interessant«, kommentierte Birdie. Für einen Fremden klang sie gelassen und heiter, aber Kate hörte die Anspannung heraus. Verwundert stellte sie fest, dass die Hände ihrer Mutter zitterten. Kate war so taktvoll, Birdie nicht darauf anzusprechen.
    Der Mann auf dem Foto war schlank und hochgewachsen, und er trug einen schwarzen Mantel. Sein Haar war schwarz, seine Augen fast ebenso dunkel; dafür war sein Gesicht gespenstisch blass. Das Foto war vermutlich auf dieser Insel entstanden. Der Autor stand an einen Baum gelehnt, im Hintergrund glitzerte das Wasser silbrig weiß. Seinen Mund umspielte der Hauch eines Lächelns.
    »Angeblich war er hier immer allein«, sagte John. »Dies ist das letzte Foto, das von ihm gemacht wurde. Es war das einzige auf einer Filmrolle in einer Kamera, die in seinem Nachlass gefunden wurde. Niemand weiß, wer es geschossen hat. Mord, Selbstmord, Unfall … wir werden nie erfahren, wie er umgekommen ist.«
    »In welchem Jahr war das?«, fragte Birdie.
    »1950.«
    Alle schwiegen, bis John unvermittelt zu lachen anfing. Er hob sein Glas.
    »Na, war das nicht eine köstliche Gruselgeschichte?«, fragte er. »Sicher verstehen Sie jetzt, warum ich diese Insel unbedingt kaufen wollte. Ehrlich gesagt bin ich so etwas wie ein Hobby-Detektiv.«
    Kate warf ihm einen eindringlichen Blick zu. Dieser Mann verfolgte einen Plan. Was wollte er ihr sagen? Wusste er von den Tagebüchern? Hatte er von ihrem Roman gehört? Das Schweigen zog sich in die Länge und wurde unerträglich.
    »Ich weiß, dass Sebastian schon einmal hier war«, sagte John schließlich. »Lange bevor wir die Insel gekauft haben.«
    »Ach wirklich«, sagte Birdie. »Faszinierend.«
    »Ja«, stimmte Kate zu. Irgendetwas war seltsam an diesem John Cross. Kate konnte ihn nicht leiden. »Nun, John, wie kommt es, dass Sie meinen Exmann kennen?«
    Sie musste einfach fragen; sie kam um vor Neugier. John räusperte sich und starrte zu Boden.
    »Ach«, sagte er, »über Facebook.«
    »Oh«, sagte Kate erleichtert. Auf Facebook – oder Fakebook, wie Sebastian zu sagen pflegte – »freundete« man sich mit Leuten an, die man noch nie oder seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen hatte. John Cross war ein Blender. Sie hätte es ahnen können. »Und Sie arbeiten bei einem Verlag?«
    »Nun ja«, sagte er, »meine Frau und ich haben gerade einen eigenen gegründet. Wir haben vor, Klassiker der Kriminalliteratur neu herauszubringen, darunter auch einige nicht mehr lieferbare Titel von Richard Cameron.«
    »Interessant«, sagte Kate. Sie klang wie Birdie, und es machte ihr überhaupt nichts aus. Zu John Cross wollte sie einen möglichst großen Abstand wahren.
    »Tja«, sagte Birdie mit freundlichem, aber bestimmtem Unterton. Für gewöhnlich ärgerte Kate sich über diesen Tonfall, aber in diesem Moment kam er ihr gelegen. Wenn Birdie gehen wollte, war sie nicht aufzuhalten. Kate hingegen ließ sich immer wieder in Gespräche verwickeln, ertrug langweilige Abendgesellschaften und lehnte aus Höflichkeit keine Einladung ab. Wie diese hier.
    »Wie ich sehe, macht meine Tochter sich Sorgen um die Mädchen. Und ich fürchte, sie werden das Abendessen verpatzen.« Ja, Mom, schieb es ruhig auf mich.
    »Sie wollen schon gehen?«, rief John. Sein Gesicht war inzwischen gerötet. Kate konnte nicht beurteilen, ob das nur am Wein lag,

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