Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gedrillt

Gedrillt

Titel: Gedrillt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
Vom Netzwerk:
Alternativen. Vermutlich hätte mir das Lehrbuch empfohlen, mit ihnen zu verhandeln, aber ich war kein hingebungsvoller Leser von Lehrbüchern und Ausbildungsleitfäden, was der Hauptgrund dafür ist, daß ich noch am Leben war. So hob ich meinen großen Revolver, legte den Lauf auf die schwere, stählerne Schar des Räumpflugs – was die Instruktoren auf dem Übungsschießstand des Departments zweifellos als schlechte Haltung gerügt hätten – und feuerte auf den am weitesten entfernt Stehenden, wobei ich auf die Körpermitte zielte. Die schwere Webleykugel traf ihn wie ein Vorschlaghammer und schlug ihn hin in die Dunkelheit, wo er sich nicht mehr rührte und keinen Laut mehr von sich gab.
Der zweite Mann, Stinnes, trat erschrocken zurück, aber seine Ausbildung setzte sich gegen seinen Schrecken durch und, ohne mich zu sehen, hob er seine Waffe und feuerte dreimal in die Richtung, wo ich zu vermuten war. Die Kugeln summten an meinem Kopf vorbei, und eine zupfte mich am Rock. Er tat das Richtige: Nach der herrschenden Lehre nötigte er damit seinen Gegner, in Deckung zu gehen, und hielt ihn so davon ab, weiter zu schießen. Aber meine Reaktionen waren viel zu langsam, die herrschende Lehre zu bestätigen, und inzwischen hatte ich ihn mit meiner zweiten Kugel schon getroffen. In den Hals. Es war ein Anblick, der mich dann oft aus dem Schlaf reißen, ein Schlußbild von Alpträumen, aus denen ich inmitten vieler Nächte erwachen sollte. Denn Erich Stinnes verspritzte Blut wie ein Springbrunnen, hoch in die Luft. Und Blut verspritzend, die Hände an der Kehle, stolperte er rückwärts mit einem keuchenden Geräusch und rutschte und glitschte durch den Schlamm, bis er an die Absperrung stieß, die vor dem ausgeschachteten Graben stand. Die stützte ihn für einen Augenblick, dann kippte er rückwärts um und stürzte kopfüber mit einem lauten Aufklatschen in die schlammigen Pfützen in der Sohle der Ausschachtung.
Fiona, starr vor Furcht und mit frischem Blut bespritzt, blieb, wo sie war. Ich wartete. Kein Geräusch von nirgendwoher. Der Verkehr auf der Autobahn ruhte für den Augenblick, und der Wald verschluckte die Laute von Wind und Regen. Dann rannte Fiona zu dem Wartburg zurück. Dabei brach einer ihrer Absätze ab, und stolpernd verstauchte sie sich den Knöchel, so daß sie, beim Wagen angelangt, auf ein Knie sank und vor Schmerzen schluchzte. Aus der mutmaßlichen Sicherheit, die die Dunkelheit ihr bot, und nicht ahnend, wie nahe ich ihr war, rief sie: »Wer ist es? Wer ist da?«
Ich antwortete nicht, machte kein Geräusch, bewegte mich nicht einmal. Irgendwo da draußen hatte jemand eine Waffe mit Schalldämpfer, und ehe ich nicht mit dem fertig war, war es nicht sicher, hinunterzusteigen in den Schlamm. Ich wartete lange. Dann humpelte Fiona zum Wartburg, beugte sich hinein und schaltete den noch leuchtenden Scheinwerfer ab.
Jetzt lag der Platz in völliger Dunkelheit, außer wenn die Scheinwerfer vorüberfahrender Wagen in dem Augenblick, da sie um die Kurve bogen und bergab zu fahren begannen, darüber hinstrichen.
Fiona versuchte, den Wagen anzulassen, aber die Kugel, die den Scheinwerfer zerschmettert hatte, mußte noch irgendwas anderes beschädigt haben, denn der Anlasser heulte zwar auf, doch sprang der Motor nicht an. In der Stille des Waldes hörte ich sie vor sich hin fluchen, leise und sanft. Verzweiflung war in ihrer Stimme.
Und in diesem Augenblick sah ich den anderen. Er schlich sich sehr langsam an der Absperrung entlang. Ich nahm ihn nur für einen Augenblick wahr, aber ich sah, daß er einen Trenchcoat trug und die Sorte wasserdichten Hut, den die Amerikaner zum Golfspielen aufsetzen. Ich konnte mir denken, wer es war, Thurkettle.
Lange sah und hörte ich dann nichts außer den Geräuschen und Lichtern des Verkehrs auf der Autobahn. Dann vernahm ich die rufende Stimme des Mannes: »Sollen wir vielleicht die ganze Nacht hier warten, Samson?« Es war Thurkettles Stimme. Ich blieb still. Thurkettle rief wieder: »Sie können die Frau nehmen und den Ford und abhauen. Nehmen Sie Ihren Gorilla auch mit. Ich will keinen von euch.« Ich erwiderte nichts.
»Können Sie mich hören?« sagte er. »Ich bin auf Ihrer Seite. Hauen Sie ab. Ich habe noch mehr zu tun.« Ich rief: »Fiona! Kannst du mich hören?« Sie sah sich um, entdeckte mich aber nicht. »Geh zu dem Ford, laß den Motor an und fahr ein oder zwei Meter vor. Schalte dann in den Leerlauf.« Fiona ging los und schleuderte beide Schuhe von

Weitere Kostenlose Bücher