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Gedrillt

Gedrillt

Titel: Gedrillt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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Schmunzeln. »Tessa war es, die davon gesprochen hat. wenn du’s genau wissen willst.« Als von mir keine Reaktion kam, fügte Dicky hinzu: »Auf unserer Dinnerparty.«
    »Die Welt ist ein Dorf«, sagte ich.
    »Allerdings«, sagte Dicky. In seiner Stimme war ein Seufzer der Erleichterung vernehmlich, so, als bemühe er sich schon den ganzen Morgen, mich zum Eingeständnis dieser Tatsache zu bewegen. »Und ganz unter uns, Tessa kommt am nächsten Wochenende mit nach Berlin.«
    »Ach wirklich?«
    »Ja.« Er umrundete seinen Mund mit einer Fingerspitze, als wollte er mir zeigen, wo derselbe sei. »Und, die Wahrheit zu sagen, wird sie …« Er blickte auf seine Uhr. »Sag mal, hast du nicht vielleicht Zeit für eine Tasse Kaffee?«
    »Ja, danke.« Ich hatte schon viele Tassen Kaffee mit Dicky in seinem Büro genossen, aber das hieß nicht, daß der Kaffeeklatsch Teil seiner alltäglichen Routine war. Dicky zog sich vielmehr von der Geschäftigkeit zurück, um seinen Kaffee zu trinken. Dabei rang er dann, sagte er, mit seinen Gedanken, kämpfte er mit schwierigen Ideen, fand Gelegenheit zur Begegnung mit dem ureigenen Selbst. Einladungen, ihm bei seinem geistigen Handgemenge Gesellschaft zu leisten, wurden nicht leichthin und nie ohne Hintergedanken an eine Gegenleistung ausgesprochen. Ich kann wahrheitsgetreu versichern, daß die meisten der schlimmsten Erfahrungen

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    meines Lebens irgendeiner Vorstellung, Anordnung, Vergünstigung oder Planung erwuchsen, deren erste Bekanntschaft ich bei einer Tasse von Dickys wunderbarem Kaffee machte.
    Zum Kaffee rauchte Dicky einen Stumpen. Eine schlechte Angewohnheit, das Rauchen, ein wahres Gift, er versuchte sich deshalb auf drei Stück täglich zu beschränken. Vermutlich war das der Grund, weshalb er mir keine anbot. »Die Tatsache ist«, begann Dicky, sich in seinen Sessel zurücklehnend, den Kaffee in der einen, die Zigarre in der anderen Hand, »… das heißt eine wichtige Einzelheit dieser Tour nächste Woche ist, daß ich dabei deine Hilfe und Unterstützung brauchen werde.«
    »O ja«, sagte ich. Dies war ein völlig neuer Ton bei Dicky, der bisher immer geleugnet hatte, auf irgend jemandes Hilfe oder Unterstützung angewiesen zu sein.
    »Du weißt, wie sehr ich mich auf dich verlasse, Bernard.«
    Er drehte sich einen Zollbreit hin und her, aber verschüttete dabei keinen Tropfen seines Kaffees. »Konnte ich immer.
    Kann ich immer.«
    Ich hielt Ausschau nach einer Feuerleiter. »Nein«, sagte ich,
    »das habe ich nie gemerkt.«
    Behutsam legte Dicky seine Zigarre in den
    Kristallaschenbecher und zog mit der freigewordenen Hand an seiner Fliege, so daß ihr Knoten sich löste. An der Wand hinter ihm hing ein gerahmtes Farbfoto, das Dicky und den Direktor in Kalkutta zeigte. Sie standen vor einem Verkaufsstand, wo eine große Auswahl greller Porträtposter feilgeboten wurde.
    Lithographien von Berühmtheiten wie dem Ayatollah, den diversen Marxköpfen bis zu Jesus Christus sowie Laurel und Hardy umgaben Dicky und seinen Chef. Alle schauten geradeaus, außer Dicky. Er sah den Direktor an.
    »Ich will Daphne nicht verletzen«, sagte Dicky, als habe er sich plötzlich zu einer neuen Annäherung entschlossen. »Du verstehst …«

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    Damit ließ er’s bewenden und blickte mich an. Inzwischen ahnte ich, wie es weitergehen sollte, aber ich war nicht gesonnen, es ihm auch noch leichtzumachen. Und ich brauchte Zeit zum Nachdenken. »Was ist es, Dicky?« sagte ich, nippte an meiner Kaffeetasse und tat so, als wäre ich nicht ganz bei der Sache.
    »Von Mann zu Mann, Bernard, alter Kumpel. Du verstehst doch, was ich meine?«
    »Du willst, daß ich statt deiner fahre?«
    »Um Himmels willen, Bernard. Manchmal bist du aber verdammt schwer von Begriff.«
    Er paffte seine Zigarre. »Nein, ich nehme Tessa mit.« Eine Pause. »Ich hab’s versprochen und kann nicht mehr anders.« Er machte diesen Zusatz in klagendem Ton, so als füge er sich einer seinen persönlichen Wünschen ganz entgegengesetzten Pflicht. Aber dann sah er mir direkt in die Augen und sagte –
    mit einem schnellen Seitenblick zur Tür, um sich zu vergewissern, daß da niemand lauschte: »Für das Wochenende!« Er sagte das trotzig, fast durch
    zusammengebissene Zähne, als würde mein Unvermögen, ihn zu verstehen, ihn gleich zwingen, Amok zu laufen. »Fahren wir alle? Gloria auch?«
    Er sprang auf die Füße als hätte er sich verbrüht, und kam zu mir herüber. »Nein, Bernard, nein, Bernard, nein,

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