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Gedrillt

Gedrillt

Titel: Gedrillt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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mitnehmen?«
    »Au ja. – Es tut mir leid, daß ich in letzter Zeit manchmal so schlecht gelaunt gewesen bin, Liebling.«
    »Ich habe gar nicht gemerkt, daß du anders warst als gewöhnlich«, sagte sie.

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18
    Als ich später daran zurückdachte, war ganz offenbar dieses Wochenende in Berlin der Anfang vom Ende, aber im nachhinein war man vermutlich immer klüger. Damals kam es mir allein wegen der Hektik, mit der ein Treffen nach dem anderen anberaumt wurde, ungewöhnlich vor, und der Aufregung, die Frank Harrington, – der immer etwas von einer Glucke gehabt hat – verbreitete, der mich mitten in der Nacht rief, um mir dann gestehen zu müssen, daß er vergessen hatte, was er eigentlich von mir gewollt habe.
    Nicht, daß bei irgendeinem dieser Treffen groß was herausgekommen wäre. Es handelte sich dabei vielmehr um die üblichen zwanglosen Besprechungen der Berliner
    Einsatzgruppe, bei denen Frank in seiner unnachahmlich onkelhaften Manier als Vorsitzender fungierte, unaufhörlich seinen stinkenden Knaster rauchte und sich in langen Ausschweifungen über mich oder meinen Vater oder die alten Zeiten oder über all das zusammen erging.
    Erst am Sonntagmorgen gab mir Frank einen Wink auf das, was passierte. Dicky war nicht da. Er hatte eine Nachricht hinterlassen, der wir entnahmen, daß er Tessa die Stadt zu zeigen im Begriff war, von der er ungefähr so viel wußte, wie man auf einen Stecknadelkopf schreiben kann, wobei daneben noch reichlich Platz für das Vaterunser bleibt.
    So saßen Frank und ich allein in seinem Arbeitszimmer in der großen Grunewaldvilla. Er hatte dort auch eine Sekretärin, und ein Teil des streng geheimen Materials war dort archiviert.
    Das gab Frank einen Vorwand, gelegentlich zu Hause zu bleiben. Dieses unglaubliche und unvergeßliche
    Arbeitszimmer! Obwohl es mir nicht gelungen wäre, einem einzigen Gegenstand die Herkunft vom Subkontinent nachzuweisen, hätte dieser Raum doch der Pandschab-Bungalow eines echten Regimentsoffiziers gewesen sein

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    können, das Heim eines Helden des Sepoy-Aufstands, der den geschwinden Schwarzbock mit Geparden jagte. Bei ausgeschlossenem Tageslicht präsentierte das gedämpfte Lampenlicht eine schöne Militärtruhe mit herrlichem Messingbeschlag, das aufgehängte Gehörn einer für mich nicht näher identifizierbaren Antilopenart, ein großes Sofa mit Lederknöpfen und Rattanmöbel; all das ausgebleicht, quietschend und abgenützt, wie diese Dinge eben in den Tropen werden. Selbst das Sepia-Porträt der regierenden Königin schien wegen seiner Ähnlichkeit mit der jungen Victoria ausgewählt worden zu sein. Der Raum drückte Franks geheime Sehnsüchte aus, und wie die geheimen Sehnsüchte der meisten Leute hatten diese keinen Halt in der Realität. Auch Frank selbst gab sich an jenem Sonntagmorgen so militärisch er nur irgend konnte, in Khaki-Safari-Hemd, Sporthose und ungemusterter brauner Krawatte. Mit seinem Füllfederhalter hatte er auf die Landkarte getippt und mir Fragen gestellt, zu deren Beantwortung eigentlich andere Spezialisten als ich berufen waren. »Was weißt du über die Ostberliner Autobahneinfahrten?« sagte er.
    Er wies auf die Wand, wo man zwei große Karten
    angeschlagen hatte. Dies war erst kürzlich geschehen und zerstörte den Dekor kolonialer Herrlichkeit. Eine dieser Karten zeigte Ostdeutschland, dessen Herrscher den ziemlich orwellschen Namen Deutsche Demokratische Republik bevorzugten. Wie eine Insel in diesem kommunistischen Meer waren unsere Sektoren Berlins mit dem Westen über drei lange Autobahnen verbunden. Von Kraftfahrern sowohl aus dem Westen als aus dem Osten benutzt, waren diese
    Überlandstraßen oft Ort geheimer Treffen. Schmuggler, Spione, Journalisten und Liebende verabredeten kurze und gefährliche Begegnungen am Straßenrand. Und
    konsequenterweise ließ sich die DDR die ununterbrochene polizeiliche Überwachung dieser Straßen angelegen sein.

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    Die zweite Karte, auf welche Frank mich eben hinwies, war ein Stadtplan von Berlin. Nicht nur von Westberlin, sondern von ganz Berlin. Der Stadtplan mußte neu sein, denn mir fielen sofort die geplanten neuen Autobahnabzweigungen auf, darunter diejenige, welche – in einer ungewissen und fernen Zukunft – einen neuen Zugang nach Westberlin im Süden der Stadt eröffnen würde. Gerüchteweise vernahm man, daß die Ostdeutschen hofften, dafür einen Haufen Westgeld zu kassieren. Das war der übliche Weg, daß was zustande kam.
    »Ich

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