Gedrillt
auch kleine Kinder.
»Tessa«, sagte ich.
»Deine Tessa?«
»Meine Schwägerin. Ja.«
»Tessa treibt also ihr altes Spiel weiter. Ich dachte, dieses Techtelmechtel mit Dicky wäre längst vorbei.«
»Ja, mich hat das auch gewundert.«
»Na ja, zu wundern braucht dich das nicht, Liebling. Leute wie Dicky und Tessa sind launisch und unbeständig.«
»Aber das letzte Mal ist es ihm untersagt worden.«
»Von Daphne etwa?«
»Nein. Dem Department hat die Affäre nicht gepaßt.
Geheime Treffen mit der Schwester einer Überläuferin schienen denen ein potentielles Sicherheitsrisiko zu sein.«
»Es überrascht mich, daß Dicky sich davon beeindrucken ließ.«
»Das sollte dich nicht überraschen. Dicky mag ulkige Fliegen tragen und den studentischen Bohemien spielen, er weiß trotzdem genau, wie weit er gehen kann. Wenn die Trompete schmettert und die Orden verteilt werden, steht Dicky in Reih und Glied und salutiert.«
»Außer wenn es Tessa betrifft, meinst du. Vielleicht ist es Liebe.«
»Nicht Dicky.«
»Vielleicht hat er inzwischen eine offizielle Genehmigung gekriegt, mit Tessa ins Bett zu gehen«, scherzte sie.
»Das muß es sein«, stimmte ich ihr zu, und nicht viel später
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sollte ich an ihren Scherz zurückdenken. »Vielleicht konnte Dicky nicht widerstehen, weil er ihr das Ticket nicht zu bezahlen brauchte.«
»Was für ein Schwein er ist. Die arme Daphne.« Sie goß den Kaffee ein und entdeckte in einer verbeulten Dose einen geheimen Vorrat an Schokoladenplätzchen.
»Und die Hotelzimmer hat er in meinem Namen reserviert.
Wie findest du das?«
Sie nahm es sehr gelassen. »Warum?«
»Vermutlich wird er Daphne irgendeine Geschichte erzählen, in der ich mit Tessa losfliege.«
»Aber du fliegst nicht?«
»Leider ja.«
»Am Wochenende?« Ich nickte.
Sie sagte: »Ich habe für Sonnabend die Pomeroys zum Essen eingeladen.«
»Wer zum Teufel sind die Pomeroys?«
»Die Eltern von Billys Freunden. Die Kinder waren gestern abend zum Essen bei ihnen. Sie sind furchtbar nett.«
»Du mußt sie vertrösten«, sagte ich.
»Ich habe die Einladung schon zweimal verschoben, weil du plötzlich weg mußtest.«
»Es ist eine Anordnung des Direktors. Du weißt, was das bedeutet. Ich kann da nicht raus.«
»Am Wochenende?«
»Ich fliege Freitag früh. Montag oder Dienstag bin ich zurück. Dickys Sekretärin wird auf dem laufenden gehalten.«
»Und am Sonntag ist das Treffen von Billys Auto-Club. Ich habe ihm versprochen, daß du mit ihm hingehst.«
»Schau an! Davon wußte ich ja gar nichts, Liebling.« Lange trank sie an ihrem Kaffee, ohne zu sprechen. Dann sagte sie:
»Ich weiß«, als beantwortete sie eine andere Frage, von der nur sie allein wußte.
»Aber du hast gesagt, daß in Werners Hotel eine Party sein
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wird. Ich weiß, daß du gerne hingegangen wärst.«
»Die Party soll nur Reklame für das Hotel machen. Wir werden eben zu einer anderen hinfliegen. Sie veranstalten dauernd Partys, und ohne dich würde es keinen Spaß machen.«
Nach dem Kaffee ging ich mit ihr in das Zimmer, das sie bewohnt hatte, als sie noch bei ihren Eltern lebte. Sie hielten es für sie bereit, als erwarteten sie jeden Abend ihre Rückkehr.
Spielzeug, Teddybären, Puppen, Bilderbücher, Schulbücher, ein Beatles-Poster an der Wand. Das Bett war mit frischgewaschenem Leinen bezogen. Weggenommen hatte Gloria ihren Eltern kein anderer als ich, und manchmal hatte ich ein schlechtes Gewissen deswegen. Und ich hatte sie nicht einmal geheiratet. Wie wäre mir zumute, wenn eines Tages meine Tochter Sally mit irgendeinem verheirateten Mann mittleren Alters verschwände? Manchmal fragte ich mich, wie ich mit der unvermeidlichen Trennung von den Kindern fertig werden würde. Würde ich ihre Schlafzimmer zu Altären machen, an denen ich die Wiederkehr ihrer mit mir verlebten Kindertage erflehen könnte?
Aus dem Schlafzimmerfenster erblickte ich das flache Dach eines großen eingeschossigen Gebäudes, das man an das Haus angebaut hatte. Gloria, die meinem Blick gefolgt war, sagte:
»Ich habe geweint, als sie mir den Blick auf den Garten kaputtgemacht haben. Früher gab es da eine wunderschöne Kastanie und einen Rhododendron.«
»Wozu brauchtet ihr zusätzliche Räume?«
»Da drin sind Praxisräume und eine Werkstatt für Papa.«
»Ich dachte, er hätte seine Praxis in der Stadt.«
»Diese hier ist für besondere Arbeiten. Wußtest du das nicht?«
»Woher sollte ich das wissen?«
»Willst du’s
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