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Gedrillt

Gedrillt

Titel: Gedrillt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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wurden; hergestellt von denselben Gaunern, die ihm seine Briefmarken und Umschläge fälschten.
    »Ich weiß.«

    - 170 -
    »Und Erich Stinnes auch?« Wenn dereinst die Geschichte des Departments geschrieben werden wird, wird kein Fiasko der jüngeren Vergangenheit das Maß an Unschlüssigkeit und Konfusion, deren die Institution fähig ist, besser demonstrieren als ihr Verfahren mit Stinnes. Stinnes war ein unsicherer Kunde, ein echter KGB-Offizier der alten Schule. Er hatte gesagt, daß er zu uns überlaufen wollte, dann erhoben sich auf beiden Seiten Zweifel, bis Stinnes als feindlicher Agent eingestuft und in Haft genommen wurde. Bei einem Austausch kam er schließlich in den Osten zurück.
    »Stinnes wird vollkommen separat gehalten. So war das von Anfang an geplant.« Sie machte eine Pause und wechselte geringfügig das Thema. »Als du mir dieses Ekel Moskwin vom Halse geschafft hast, war ich verdammt erleichtert. Er ahnte die Wahrheit.«
    »Er hat auch eine russische Kugel abgekriegt. Einer von deinen Leuten hat auf ihn geschossen. Wußtest du das?« Sie zeigte ein frostiges Lächeln.
    Ich wollte es dabei nicht bewenden lassen. »Ich wünschte
    …« Sie erhob eine Hand, um irgendwelche Beschuldigungen meinerseits zu unterbinden, und sagte: »Wir haben nur noch ein paar Minuten. Ich muß zurück nach Prag. Da findet morgen diese verdammte Sicherheitskonferenz statt, und ich muß mich darauf vorbereiten.« Der Hund bellte wieder, wilder diesmal, und das Gebell endete in einem schrillen Jaulen, als hätte man ihm einen Schlag versetzt.
    »Ja, vier Uhr. Ich verstehe.«
    »Etwas hat man dir also gesagt.«
    Es war ein schwacher Witz, aber ich lächelte und sagte entschuldigend: »Wir sind früh aus Wien weggefahren, aber da war dieses Haydn-Festival und die Straßen …«
    »Ich weiß«, sagte sie. »So ist das immer, wenn es wirklich wichtig ist. So sagtest du immer.«
    »Wenn ich zu spät kam?«

    - 171 -
    »Nein, das meinte ich nicht, Bernard.« Sie blickte rasch auf ihre Uhr. »Da ist noch was …« sagte sie. »Mein Pelzmantel.
    Ich habe ihn bei meiner Schwester Tessa gelassen. Ich habe Angst, daß sie ihn vielleicht verkauft oder verschenkt oder sonstwie …« Ich erinnerte mich des Mantels. Er war ein atemberaubendes Geburtstagsgeschenk ihres Vaters, der ihr zu jener Zeit unbedingt beweisen wollte, wie sehr er sie liebte und wie reich und erfolgreich er war. Der gewaltige, seidige Zobelpelz muß Tausende gekostet haben. Fiona war immer lautstark gegen Kleidung aus Tierfellen gewesen, aber nachdem sie den Mantel einmal anprobiert hatte, schienen ihre moralischen Vorbehalte gegen den Pelzhandel sich zu verflüchtigen. »Und was soll ich tun?«
    »Du mußt ihn von ihr zurückbekommen.«
    »Naja«, sagte ich zögernd, »ich kann aber doch nicht sagen, daß ich mit dir gesprochen habe.«
    »Du wirst dir schon was einfallen lassen«, meinte sie. Und damit war die Sache mein Problem. Fiona wußte, daß ein guter Manager delegiert.
    Es herrschte das verlegene Schweigen, das nur ein englisches Ehepaar sich zuzumuten den Nerv hat. »Und sonst ist alles in Ordnung? Den Kindern geht es gut?« fragte sie noch einmal.
    »Wunderbar«, erwiderte ich. Sie wußte das natürlich. Daß sie regelmäßig Nachricht über ihre Kinder – und über mich –
    erhielt, war zweifellos Teil ihrer Abmachungen. Ich fragte mich, ob in diesen Berichten auch von Gloria die Rede war.
    Für einen schrecklichen Augenblick ging mir der Gedanke durch den Kopf, daß man Gloria auf mich angesetzt hatte, um alles, was ich tat, sagte und dachte, zu überwachen. Aber ich verwarf den Gedanken. Gloria war zu unkonventionell, um Spitzel zu sein.
    »Natürlich fehlst du den Kindern«, fügte ich hinzu.
    »Aber sie hassen mich deswegen doch nicht, Bernard,

    - 172 -
    oder?«
    »Nein, natürlich nicht, Liebling.«
    Ich sagte das so glatt und schnell, daß sie meinen Vorbehalt herausgehört haben mußte. Es würde ihr nicht leicht werden, das Vertrauen der Kinder wiederzugewinnen. Sie nickte. »Und du?«
    Ich wußte nicht, ob sie fragte, ob’s auch mir gutginge oder ob ich sie inzwischen haßte. »Mir geht’s gut«, sagte ich.
    »Du hast abgenommen, Bernard. Geht es dir auch wirklich gut?«
    »Ich habe ein bißchen gefastet, damit ich wieder in meine alten Anzüge passe.«
    »Ich bin froh, daß du dich nicht verändert hast«, sagte sie etwas zweideutig, und in der banalen Aussage lag mehr echte Zuneigung als in allem, was sie bisher gesagt hatte. Ich

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