Gedrillt
Nachdruck.
»Sie haben Andeutungen gemacht und Empfehlungen gegeben. Schließlich ist ihnen nichts eingefallen, das dich überzeugt hätte. Ich wußte nicht, wie weit sie gehen würden …
Da habe ich gesagt, daß du’s von mir selbst hören mußt. Wir haben also dieses offizielle – aber außerordentliche – Treffen organisiert. London hat bereits Zugeständnisse gemacht. Ich kehre als geschickte Verhandlungsführerin zurück. Es wird alles gutgehen.«
»Diese Vollidioten! Hast du ihnen nicht gesagt, wie gefährlich es ist, wenn du hier draußen mit mir herumsitzt und mit mir redest?«
»Sie wissen, es ist gefährlich, aber du hast überall rumgeschnüffelt, hast ein Bild der ganzen Operation zusammengestückelt. Und dabei eine Spur hinterlassen. Das war sogar noch gefährlicher.«
»Natürlich habe ich rumgeschnüffelt. Was hast du denn anderes erwartet? Du bist meine Frau.« Ich hielt inne. Ich war verbittert. Obwohl sich meine Theorie als richtig erwiesen hatte, konnte ich doch die Ungeheuerlichkeit der Tatsachen nicht akzeptieren. Die Londoner Zentrale hatte Fiona als Agentin in den Osten geschickt und beschlossen, mich nicht in dieses Geheimnis einzuweihen. »Mein Gott …«
»Es schien damals das Beste so …« sagte Fiona ruhig. Trotz dieser Worte war ihrer Stimme nicht anzuhören, daß sie’s nicht auch heute noch für das Beste hielt.
»Wer hielt es für das Beste …?«
»Deine Überraschung, oder sagen wir besser deine Verblüffung, dein Zorn, deine Entrüstung und offensichtliche Verwirrung schützten mich, Bernard.«
»Ich habe dich aber gefragt, wer das für das Beste hielt?«
»Ich wollte dir alles sagen, Liebling. Zuerst habe ich das zur Bedingung gemacht. Ich wollte, daß du bei allen Einsatzbesprechungen und Vorbereitungen dabei wärst. Die
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ursprüngliche Idee war, daß du mein Führungsoffizier werden solltest, aber dann wurde klar, daß hier ein Führungsoffizier im eigentlichen Sinn des Begriffs nicht in Frage kam. Die Möglichkeit eines häufigen und regelmäßigen Kontakts war ausgeschlossen.«
»Wer hat also anders entschieden?«
»Anfänglich war der D-G gegen den ganzen Plan. Er gab dem Unternehmen nur eine Erfolgschance von fünfundzwanzig Prozent.«
»Ich hätte noch weniger gegeben.«
»Der D-G stellte die Bedingung, daß du nicht eingeweiht würdest.«
»Der Direktor … Sir Henry?«
»Er hat seine guten wie auch seine schlechten Tage.«
»Je mehr Krach ich schlug, desto besser also?«
»Anfänglich ja. Und die Wirkung war auch ausgezeichnet«, sagte Fiona. »Während der ersten Wochen wurdest du rund um die Uhr von Moskau observiert, mit größtem Interesse. Sie haben sogar einen ihrer Experten für Verhaltenspsychologie einen Bericht über dich anfertigen lassen. Erich Stinnes hat sich ein Exemplar dieses Berichts verschafft, und ich habe ihn gelesen. Da stand, daß kein Schauspieler imstande gewesen wäre, dein Verhalten zu spielen. Und sie hatten natürlich recht.
Es war dein Verhalten, das sie schließlich überzeugte, mich wirklich für ihre Seite gewonnen zu haben.«
»Aber haben sie die Wahrheit nicht geahnt? Daß du gehandelt hast, ohne mir was davon zu sagen?«
»Die Sowjetunion mag Abfangjägerpilotinnen und
Kranführerinnen haben, aber die Ehe ist eine heilige Institution hier. Dank der Millionen Kriegstoten sind Marxens Ansichten über die Ehe – wie auch die über alles mögliche andere – auf unbestimmte Zeit vertagt worden. Ehefrauen in der UdSSR
machen, was ihre Männer ihnen sagen.«
Ich sah sie an, ohne etwas zu sagen. Sie lächelte. Ich fragte
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mich, warum mich eigentlich die ganze Sache überrascht hatte.
Fiona: kultivierte und privilegierte Tochter eines bornierten, neureichen Vaters, hervorragende Oxford-Absolventin, die Russisch an der Sorbonne studiert hatte. Sie tritt in den Dienst des Departments und heiratet einen Mann, der nicht mal ein College besucht hat und dem nur sein Ruf als Agent einigen Anspruch auf Respekt verschafft. Warum sollte eine solche Person nicht berufen sein, die Frauenemanzipation zur äußersten Konsequenz zu treiben? Warum sollte eine solche Frau nicht eine noch bessere Agentin werden wollen, zu welchem Preis für mich, die Kinder und jeden in ihrer Umgebung auch immer?
»Wann hat all das angefangen?« fragte ich.
»Das ist lange her«, erwiderte sie obenhin.
»September 1978?« In dieser Nacht hatte es wieder eine Bombendrohung der Baader-Meinhof-Leute gegeben. Der Inhalt eines
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