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Gedrillt

Gedrillt

Titel: Gedrillt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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damit durchgekommen, vielleicht spielen sie mit ihm. Wer kann das genau wissen? So oder so war es unverantwortlich, ihn zurückzuschicken. Es hat Fiona in Gefahr gebracht.«
    »Siehst du’s denn immer noch nicht?« sagte Silas. Er schüttelte den Kopf über meine Begriffsstutzigkeit. »Erich Stinnes war und ist uns noch immer vollkommen schnuppe.
    Stinnes wurde aus einem einzigen Grund dorthin
    zurückgeschickt, nämlich dem: Fiona als echte Überläuferin glaubhaft zu machen.«
    »Nicht, um mit Fiona zusammenzuarbeiten?«
    »Nein, nein, nein. Das war ja das Schöne daran. Niemand hat Stinnes verraten, daß Fiona für uns die Seiten gewechselt hat. Es weiß das ja auch fast niemand. Unsere Leute glauben durch die Bank, daß Fionas Verrat der schlimmste Schlag war, der das Department je getroffen hat, und was immer er vielleicht vermutet haben mag, glaubte auch Stinnes das, als er zurückging.«
    Ich sagte: »Willst du sagen, daß Stinnes den Auftrag kriegte, zu berichten und zu entschärfen, was Fiona angeblich gegen uns ausheckte?« Es war schön. Es hatte die Symmetrie, die Kunst von Natur unterscheidet.
    Silas lächelte zufrieden, als er mich das bedenken sah. »Ja,
    ›Schadensbegrenzung‹, das war es, was Bret diesem Stinnes als seinen Auftrag hinstellte. Stinnes war nur ein Mittel zum Zweck.«
    »Und ich auch«, sagte ich erbittert. »Von Anfang an bin ich zum Narren gehalten worden.« Die Offenbarung, daß meine Frau eine Heldin war statt eine Verräterin, hätte mich mit Freude erfüllen sollen. Das tat sie in gewisser Hinsicht auch,

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    aber persönlich war ich darüber erbittert, wie man mich benutzt hatte. Mein Zorn galt jedem, der von Fionas langfristig vorbereitetem Einsatz gewußt hatte, ohne mich einzuweihen.
    Nicht zuletzt Fiona. Von draußen hörte man jetzt pausenlos die Kettensäge. Wahrscheinlich fraß sie sich gerade durch den Stamm. »So darfst du das nicht sehen«, erwiderte Silas. Er seufzte. Es war keiner jener theatralischen Seufzer, die er früher gerne von sich gegeben hatte. Es war der Seufzer eines kranken alten Mannes, der sich den Anstrengungen des Lebens nicht mehr gewachsen fühlt. »Du hast bei der ganzen Sache eine sehr wichtige Rolle gespielt. Was hätte es genützt, wenn du dir bei der Durchführung der Operation hättest Sorgen machen müssen?«
    »Das hat Fiona auch gesagt. Wolltest du mich deshalb sprechen?« fragte ich.
    »Dieser verdammte Quacksalber sagt, daß ich jeden Augenblick abkratzen könnte.«
    Ich nickte. Er sah krank aus. Mrs. Porter machte sich keine unnötigen Sorgen.
    »Ich nehme an, daß es dir Mrs. Porter schon gesagt hat. Sie erzählt es jedem. Ich sehe das den Leuten am Gesicht an, wenn sie hier hereinkommen.«
    »Sie ist sehr diskret«, sagte ich, um seinen Zorn zu besänftigen. »Was wird bloß passieren, wenn ich weg bin, habe ich mich gefragt. Bret ist krank, und überhaupt kennt auch Bret nicht die ganze Geschichte. Der Direktor kennt sie, aber niemand wird auf ihn hören, denn ihn hält man für nicht mehr ganz dicht; wie denkst du übrigens über ihn?«
    Dies waren gefährliche Untiefen, und ich suchte sie zu umschiffen. »Ich habe ihn schon seit langer Zeit nicht mehr gesehen«, sagte ich.
    »Dem Gerücht zufolge leidet er an der Alzheimerschen Krankheit, aber mein Quacksalber sagt, die einzig zuverlässige Diagnose für diese Krankheit kann erst nach dem Ableben des

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    Patienten durch eine Obduktion gestellt werden.« Es folgten eine plötzliche Stille und dann ein weicher Aufschlag und Stimmengewirr. Der gefällte Baum war auf den nassen Rasen gefallen. Der Laut seines Todes machte mich traurig. Silas ließ sich nicht anmerken, daß er ihn gehört hatte, ich wußte aber, daß das der Fall war. »Weißt du, was ich glaube?« Er bewegte sich rastlos. Ein großer und kräftiger Mann wie Silas konnte nicht wie andere Leute die eigene Hinfälligkeit einfach annehmen. Er beäugte mich, um sich zu versichern, daß ich ihm meine ganze Aufmerksamkeit schenkte. Dann sagte er:
    »Der Alte ist taub.«
    »Ja«, sagte ich. »Das ist allgemein bekannt.«
    »Er ist tauber, als er zugibt«, sagte Silas. »Sie glauben alle, daß er verblödet ist, weil er verdammt noch mal zu eitel ist, sich ein modernes Hörgerät anzuschaffen. Ich glaube, daß der Direktor so gut bei Verstand ist wie du und ich.«
    »Es sollte mich freuen, wenn du recht hast«, sagte ich und versuchte dann aufs Thema zurückzukommen. »Demnach wissen also nur Bret, der Direktor

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