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Gefaehrlich begabt

Gefaehrlich begabt

Titel: Gefaehrlich begabt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Olmesdahl
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floss jetzt durch ihre Adern. Der Geist des Schimmelreiters war ihr erschienen, denn sie gehörte jetzt zu den Begabten.
    Der Schock vertiefte sich, drang in jede Pore ihres Körpers. Sie nahm nur am Rande wahr, dass ein Rettungswagen und zwei Polizeiautos vorfuhren. Das Blaulicht schien ihr ins Gesicht und blendete sie, als versuchte es, sie zurück in die Wirklichkeit zu reißen, aber Anna klammerte sich an die Erinnerungen, in denen Eva lebte und glücklich war.
    Jemand leuchtete ihr mit einer Taschenlampe in die Augen und sagte irgendetwas, doch sie verstand es nicht. Die Blutdruckmanschette an ihrem Arm spürte sie kaum. Sie wollte nicht ins Jetzt zurückkehren, denn was sie dort erwartete, konnte sie nicht verkraften. Eine lebende Eva dominierte all ihre Gedanken.
    »Anna!« Kevins Stimme riss sie in die harte Realität. Schnell schloss sie die Augen und versuchte, die Menschen um sich herum auszublenden.
    »Kennen Sie das Mädchen? Es steht unter Schock, drinnen liegt eine ermordete Frau.« Die Stimme klang weiblich und vertrauensvoll. Es hatte keinen Sinn, sich länger in der Vergangenheit zu verstecken.
    »Ja, ich kenne sie. Das ist Anna, ich habe sie eben erst nach Hause gebracht. Wir waren am Lagerfeuer. Was ist passiert? Anna?« Kevin rüttelte sanft ihre Schulter.
    Anna öffnete die Augen. »Sie ist tot.« Mehr brachte sie nicht über die Lippen.
    »Wir werden Sie mit ins Krankenhaus nehmen.« Die Ärztin verschwand, um mit einem Polizisten zu diskutieren. Der zivil gekleidete Mann trug trotz der sommerlichen Temperaturen einen Trenchcoat. Er trat auf Anna zu.
    »Frau Graf? Das sind Sie doch, oder? Sie haben uns verständigt?«
    Anna versuchte zu antworten, brachte aber kein Wort heraus.
    »Ich muss Ihnen ein paar Fragen stellen, fühlen Sie sich dazu in der Lage?«
    »Ja«, piepste sie tonlos. Es klang erbärmlich und wenig überzeugend.
    »Folgen Sie mir bitte zum Wagen, hier werden jetzt eine Menge Leute durchmüssen.«
    »Wenn ich was tun kann …?« Kevin versuchte, ihren Blick aufzufangen, aber der Kommissar bedeutete ihm, zu einem Kollegen zu gehen.
    Mit weichen Knien stand Anna auf und folgte dem Mann über die Straße. Mittlerweile ging es zu wie im Taubenschlag. Mindestens fünfzehn Autos hatten sich um das Haus versammelt und überall wimmelte es von Polizei und Einsatzkräften. Viele Dorfbewohner waren aus den Häusern gestürmt und fragten aufgebracht, ob sie helfen könnten. In diesem Moment hasste Anna den Ort und diese Mentalität. Das Letzte, was sie verkraften konnte, war Mitleid. Wo waren alle gewesen, als irgendwer Eva das angetan hatte? Wieso hatte niemand eingegriffen? Wütend wandte sie den Blick ab und kam neben dem Kommissar zum Stehen.
    »Setzen Sie sich.« Er hielt ihr die Tür des Polizeiwagens auf.
    Sie stieg unsicher ein.
    »Mein Name ist Strong und ich bin heute Nacht der leitende Kommissar. Was ist passiert?«
    Anna entging nicht, dass er ein Tonband einschaltete, aber vermutlich hatte das seine Richtigkeit.
    »Ich war mit einem Freund beim Dorffeuer, unten am Deich. Als ich wiederkam, lag sie so da.«
    »Sie sind die Nichte, wie aus dem Anruf bei der Wache hervorgeht?«
    »Ja, ich besuche Eva immer während der Ferien.« Der Knoten in ihrer Brust wollte sich nicht lösen, es kostete sie unsägliche Mühe, zu antworten. Immerhin bewahrte sie die Fassung und nur vereinzelt liefen ihr noch ein paar Tränen über das Gesicht.
    »Ich nehme an, die anderen Dorfbewohner können bezeugen, dass Sie am Feuer waren?«
    Sie starrte ihn an. Hielt er sie für eine Mörderin? »Natürlich.«
    »Ich muss das fragen, Frau Graf. Reine Routine. Wann haben Sie Ihre Tante gefunden?«
    »Das muss so gegen eins gewesen sein. Kevin hat mich nach Hause gebracht.«
    »Und Kevin ist …?«
    »Ein Freund und Nachbar. Er spricht gerade mit Ihrem Kollegen.«
    »Ist Ihnen etwas aufgefallen? Irgendetwas? Fehlt etwas im Haus, ist ein Fenster zerbrochen?«
    Ratlos schüttelte Anna den Kopf. »Keine Ahnung.«
    »Ich werde jetzt noch Ihre Personalien aufnehmen. Gibt es jemanden den wir benachrichtigen müssen? Sie sollten sicherheitshalber mit ins Krankenhaus fahren und sich etwas zur Beruhigung geben lassen.«
    »Mein Vater ist im Urlaub, ich weiß nicht, wo ich die Nummer habe. Aber meine Mutter … Sie lebt in der Schweiz, aber sie wird herkommen. Eva war ihre Schwester.« Anna drohte schon wieder in Tränen auszubrechen.
    Der Beamte nickte. »Okay, kommen Sie. Wir werden uns um den Rest kümmern. Wenn

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