Gefaehrlich begabt
die Zange zu suchen, sondern schnitt dem sterbenden Mann den Ringfinger mit dem Messer ab. Als männlichem Magier fiel es ihm nicht schwer, die Kraft hierfür aufzubringen, lediglich die Klinge drohte, an dem harten Knochen zu scheitern.
Sebastian sammelte die Sachen zusammen und wollte Kira zum Auto folgen. Aber Franks Anblick versetzte ihm erneut einen Stich ins Herz. Verdammt! Was war nur los mit ihm?
Die vergangenen Monate, die er mit Frank und Marla verbracht hatte, schienen ihm nicht gutgetan zu haben. Wenn sich ein Magier zu oft mit Menschen einließ, neigte er vermutlich dazu, gewisse Züge anzunehmen. Aber es war nicht einfach gewesen, ihr Vertrauen zu erlangen, um sich als Erben für das Talent einsetzen zu lassen. Obwohl sie ihn behandelt hatten wie einen Sohn, war ein gewisses Misstrauen geblieben. Die Hexe hatte bis heute kein magisches Testament geschrieben.
Sebastian atmete tief durch und kniete sich vor Franks leblosen Körper. Er wollte nicht, dass dieser Tod seine Handschrift trug.
Den Zeitpunkt, dem Toten die Augen zu schließen, hatte er verpasst. Aber was hätte er Kira auch antworten sollen? Dass er Leid verspürte? Sie hätte ihn ausgelacht.
»Vergib mir.« Sanft legte Sebastian die Hand auf Franks Brustkorb und sein Körper ging in Flammen auf. Die lilafarbenen Feuerwellen ummantelten die blutdurchtränkte Kleidung und im ersten Moment brachten sie die Farbe auf Franks Gesicht zurück.
Sebastian wandte sich ab und eilte in großen Schritten seiner Freundin zum Wagen hinterher. Er wollte das nicht länger mit ansehen. Außerdem hätte Kira Verdacht geschöpft, wenn sie die Rauchschwaden gesehen hätte. Sie bestand darauf, dass Franks Tod das Markenzeichen der Fingerless trug. Ein abgetrennter Finger, zum Beweis ihrer Macht.
Die schwarzhaarige Magierin stand vor dem silbernen Audi und wechselte ihre Bluse. Das blutverschmierte Oberteil lag bereits auf dem Boden. Sebastian drückte ihr einen Kuss auf die Lippen. Der Anblick ihres makellosen Oberkörpers ließ ihn die Trauer und das schlechte Gewissen sofort vergessen.
Sie schlang die Arme um seinen Nacken und erwiderte den Kuss. »Lass uns verschwinden.«
Er wusch das Blut unter dem Wasserstrahl einer Plastikflasche von den Händen und stieg in den Wagen. Die schwarzen Sitzpolster glühten von der Mittagssonne, die Luft stand stickig und schal im Wageninneren. Sebastian schaltete die Klimaanlage auf die höchste Stufe und öffnete einen Knopf seines Polohemdes.
Kira lehnte den Kopf zurück in die Polster und zog sich die Sonnenbrille vor die Augen. In ihrer Gegenwart fiel es Sebastian wieder leicht, er selbst zu sein, keine unbekannten Emotionen zu verspüren. Sie lebten schon lange als Paar, taten es schon, bevor das Rechtssystem seine Familie jahrzehntelang wegsperrte. Er hatte sie gern, oder zumindest kam es dem Gefühl recht nahe, wie er vermutete.
Sebastian trat das Gaspedal durch und ließ den Sportwagen über den brennenden Asphalt der Weinstraße rasen.
2. Kapitel
Legenden am Feuer
A nna pustete sich eine Haarsträhne aus der Stirn. Mensch, war das heiß. Die Augustsonne knallte vom Himmel und trotz der Meeresluft, die vom nahe liegenden Wasser herüberwehte, fühlte sie sich nahe am Ersticken. Sie saß mit ihrer Tante Eva auf der blau gestrichenen Veranda und konnte sich nur schwer konzentrieren.
»Anna? Ich versuche, dir etwas beizubringen, hörst du mir überhaupt zu?«
Tatsächlich war sie schon wieder abgelenkt gewesen, denn nicht nur die Temperaturen ließen sie dahinschmelzen. Der Nachbarsgärtner schnitt mit freiem Oberkörper die Hecke der alten Frau und Annas Hormone tanzten Samba.
»Eines Tages wirst du damit fertig werden müssen und dann bin ich nicht mehr da, um dir etwas zu erklären.«
Anna atmete tief durch und sah Eva in die Augen. Sie hoffte, dass dieser Tag noch in weiter Ferne liegen würde.
Eva war ein Medium.
Sie gehörte zu den etwa 60.000 begabten Menschen auf der Welt, die mit einem magischen Talent ausgestattet waren. Eva hatte sie in ihrem Testament als Erbin bedacht und Anna hatte es mit ihrem Blut unterschrieben. Eines Tages also würde die besondere Gabe der Geisterbeschwörung ihr gehören.
»Es ist unerträglich heiß. Können wir für heute nicht Schluss machen? Mein Kopf raucht schon. Ich hab bestimmt einen Sonnenstich.« Sie stöhnte und sah Eva aus großen Augen an. Normalerweise schlug Eva ihr nichts ab, wenn sie so blickte.
»Okay. Schluss für heute.« Eva prüfte den Sitz
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