Gefaehrlich schoener Fremder
um Kessler kaltzumachen, als du schliefst", fügte er ruhig hinzu.
Tausend widerstreitende Gedanken wirbelten Emily durch den Kopf, dazwischen viele Fragen, auf die es keine Antworten gab. Es gab nur eine Sicherheit für sie, an die sie sich halten konnte: Sie wusste, Logan -oder Foster oder wie auch immer er wirklich hieß - hatte ihr Haus in jener Nacht nicht verlassen. Warum hätte er danach zurückkehren sollen? Nein, das ergab keinen Sinn. Andererseits sehe ich überhaupt nirgends einen Sinn, dachte Emily gequält.
Logan hatte diesen Mann nicht getötet, das stand fest. Aber damit war noch keine ihrer tausend Fragen beantwortet. „Warum hat dieser Nachrichtensprecher dich Nick Foster genannt?"
Sie hörte, wie Logan langsam ausatmete, während er sie weiter im Bann seiner hypnotisierenden, unergründlichen schwarzen Augen hielt.
„Weil das der Name in meinen Ausweispapieren ist."
Emily fuhr sich verstohlen mit der Zunge über die Lippen. „Wer bist du wirklich?"
„Gute Frage." Wieder spielte das zynische Halblächeln um den schönen Mund.
„Bis vor sechs Jahren war ich hauptsächlich Trace Logan."
„Hauptsächlich?" gab sie verständnislos zurück. „Was genau bedeutet das?"
„Dass ich manchmal andere Namen benutzen musste."
Das wird ja immer schlimmer, dachte Emily. Was für eine Sorte Menschen hat es nötig, hin und wieder die Identität zu wechseln? Sie wollte lieber nicht darüber nachdenken. „Was geschah vor sechs Jahren, weshalb du aufgehört hast, Trace Logan zu sein?"
„Ich bin gestorben. Vor sechs Jahren ist Trace Logan beim Absturz eines kleinen Flugzeugs ums Leben gekommen."
Emily hatte das Gefühl, langsam den Verstand zu verlieren. Heftig riss sie sich aus Logans Händen los.
„Du meinst... du bist..." stammelte sie verwirrt. „Hast du eigentlich eine Vorstellung davon, wie verrückt das alles klingt?"
Logan zuckte die Achseln. „Dabei ist es ganz einfach. Es wurde ein Mann ohne Vergangenheit gesucht, ohne Identität. Einer mit einer reinen Weste, auf die alles geschrieben werden konnte, was meine Auftraggeber wollten."
Er lächelte sarkastisch. „Dieser Mann wurde ich, Emily. Meine Akten wurden versiegelt, meine Existenz ausgelöscht. Ich wurde ein Nichts, ein Mensch ohne Namen, ohne Familie, ohne Vergangenheit. Ein Geist, wenn du so willst."
Verblüfft, abweisend schüttelte Emily den Kopf.
„Mit anderen Worten, ich bin ein Spion", fuhr Logan fort. „Ein Agent. Ich arbeite für die Regierung, für den Geheimdienst."
Na klar, ein Spion. Emily wollte ihm sein verhasstes Grinsen aus dem Gesicht wischen. Er musste sie für verrückt oder äußerst naiv halten, wenn er erwartete, dass sie diese uralte, ausgeleierte Masche schluckte.
„Wirklich sehr originell", gab sie scharf zurück. „Der Spruch, den jeder Kriminelle und Betrüger parat hat, um sein obskures, zweifelhaftes Verhalten zu rechtfertigen."
Logan reagierte nicht beleidigt, er lachte nur. „Du hast recht. Als Ausrede ist das überstrapaziert. Aber in meinem Fall ist es die Wahrheit."
Er hätte Emily etwas vorlügen können. Aber sie war durch eine grausame Fügung des Schicksals buchstäblich in sein Leben gestolpert, und jetzt war ihr Leben in der gleichen Gefahr wie seins. Die Wahrheit war das wenigste, was Emily verdiente.
„Ich bin während meiner Studienzeit angeworben worden", fuhr er fort. „Wie die meisten jungen Leute fühlte ich mich geschmeichelt, geehrt darüber, ausgewählt worden zu sein." Wieder erschien das kalte Läche ln auf seinen Lippen. „Und ich war großspurig. Mein Dad war Berufssoldat beim Marine-Corps, sehr bedacht auf Ehre und darauf, seinem Vaterland zu dienen. Ich hielt es für meine Pflicht, das angebliche Privileg anzunehmen."
Das Lächeln verschwand aus Logans Zügen. „Inzwischen habe ich schon lange erkannt, dass es kein Privileg ist, sondern eine Bürde. Und meine jugendliche Arroganz ist mir damit auch ausgetrieben worden - zusammen mit den Idealen."
Emily ließ sich auf den Rand des Bettes sinken, ihre Beine wollten sie nicht mehr tragen. Sie wusste nicht, was sie glauben sollte. Ihre Verwirrung wurde weniger durch Logans Worte ausgelöst als durch die Bitterkeit und den Schmerz, die sie aus seiner Stimme heraushörte und die überhaupt nicht zu seinen kalt blickenden Augen passten.
„Ist es wirklich wahr, was du sagst?"
„Hundertprozentig. Ich habe in meinem Job schon eine Menge Lügengeschichten erzählt, ich könnte dir Dutzende verschiedener
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