Gefaehrlich sexy
Ortes wahr.
Serena trägt in der einen Hand die Tüte mit Graces Sachen und hält mit der anderen meine Rechte umklammert, während wir am Ausstellungsraum vorbei den Flur hinuntergehen. An seinem Ende liegt ein offenes Büro, und ein älterer Mann kommt uns entgegen. Er stellt sich vor und weist höflich auf die Stühle, die vor seinem Schreibtisch stehen.
Während Serena, deren Stimme inzwischen ganz geschäftsmäßig und völlig nüchtern klingt, verschiedene Details mit ihm bespricht, entschuldige ich mich und gehe zur Toilette. Auf dem Rückweg sehe ich mir die Särge in verschiedenen Farben und Größen aus der Nähe an. Schließlich stehe ich vor einem weißen Sarg, der mit einem herrlichen hellblauen Satinstoff ausgeschlagen ist. Die Farbe wäre haargenau das Richtige für Grace.
Meine Finger gleiten vorsichtig über den glatten Stoff, als plötzlich eine Hand auf meiner liegt. »Oh, Dahl, es tut mir wirklich leid. Ich will nur, dass du das weißt. Bitte verzeih mir. Ich brauche dich.«
Ich blicke auf. Er trägt noch dieselben Sachen wie gestern im Krankenhaus, ist unrasiert und wirkt, als hätte er die ganze Nacht kein Auge zugetan. Heißer Zorn steigt in mir auf, ich trete einen Schritt zurück und sage ruhig: »Bitte, Ben. Nicht jetzt. Dies ist wohl kaum der rechte Augenblick.«
Als er auf mich zutritt, wird mir übel. Weil mir eine Wolke süßlichen Parfüms entgegenschlägt. »Das weiß ich, Dahl. Aber ich bin so fürchterlich allein.«
Ich darf jetzt nicht schwach werden. Weil ich ihn nicht mehr stützen kann. Ich kann es einfach nicht. »Ich bin hier, weil Grace gewollt hätte, dass ich euch beistehe. Aber ich kann dir nicht verzeihen, und ich weiß nicht, ob ich dazu jemals in der Lage sein werde.«
Er blickt vor sich auf den Boden und zieht auf einmal ein kleines Buch aus der Tasche. Ich sehe das Zittern seiner Hand, als er es mir hinhält und mit leiser Stimme sagt: »Das hier habe ich für dich geschrieben, nachdem ich auf Tauchstation gegangen war. Schließlich dachte ich, ich würde dich nie wiedersehen, und habe deswegen auf diese Weise mit dir kommuniziert.« Ich bin überrascht, was er anscheinend spürt, denn er fügt noch hinzu: »Bitte nimm es. Ich möchte, dass du es kriegst. Du kannst damit machen, was du willst.« Ich nehme ihm das Büchlein ab, weil ich seinen Schmerz trotz allem, was geschehen ist, nicht noch vergrößern will.
Doch ich weigere mich, ihm die Chance zu geben, noch etwas zu sagen, und mache entschlossen auf dem Absatz kehrt. Mein Herzschlag setzt kurz aus, als River plötzlich in der Tür des Ausstellungsraums lehnt. Er funkelt seinen Widersacher zornig an, doch als er sich an mich wendet, wird seine Miene weich. Selbst in diesem Augenblick bemerke ich, wie ungeheuer attraktiv er ist. Sein schlanker Körper steckt in einem schwarzen T-Shirt und in tief sitzenden Jeans, und neben ungeheurer Kraft verströmt er eine natürliche Gelassenheit. Er reicht mir seine Hand, und ohne sich auch nur noch einmal nach Ben umzudrehen, fragt er: »Können wir gehen, schöne Frau?«
Ich nehme lächelnd seine Hand, und wir suchen nach Serena, um ihr noch auf Wiedersehen zu sagen, ehe wir nach Hause fahren.
Kapitel 27
All I Want
Bens Tagebuch
Auch nach einer Flasche Whiskey ist mein Leben immer noch ein einziges Chaos. Ich kann nicht mal sagen, wie ich es jemals wieder in Gang bekommen soll. Was ja wohl echt erbärmlich ist. Im einen Augenblick war Mom noch außer sich vor Sorge um ihr Enkelkind, und im nächsten war sie plötzlich nicht mehr da. Und die Schuld daran trage ganz allein ich. Ich frage mich die ganze Zeit, ob sie wohl noch am Leben wäre, wenn ich selbst nicht wieder auferstanden wäre. War der Stress, den meine Rückkehr ihr bereitet hat, vielleicht zu viel für sie? Ich kann einfach nicht glauben, dass sie nicht mehr lebt.
Und jetzt haut auch noch Caleb ab. Er hat einen Job beim FBI, ich habe also keine Menschenseele mehr. Außerdem ist meine Schwester stinksauer auf mich, und Dahl kommt nie wieder zu mir zurück. Ich habe sogar versucht, mit Kimberly zu sprechen, aber sie hat nur gesagt, ich sollte es noch mal versuchen, wenn ich nicht betrunken bin, und einfach aufgelegt. So anspruchsvoll war sie sonst nie.
Mein Leben ist eine Aneinanderreihung riesengroßer Fehler. Irgendwie habe ich eine dämliche Entscheidung nach der anderen gefällt. Ich kann nicht einmal mehr sagen, welchen Fehler ich zuerst gemacht habe oder welcher am schlimmsten war – meine
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