Gefaehrlich sexy
den Vorraum sind. River drückt mir aufmunternd die Hand. Die Kirche ist voller Blumen und bis auf den letzten Platz besetzt. Auf dem Weg nach vorne kann ich sehen, dass Ben und Serena bereits eingetroffen sind. Sie sitzen in der ersten Reihe, und wir nehmen direkt hinter ihnen Platz. Ich beuge mich ein wenig vor, berühre Serena an der Schulter, und sie dreht sich zu mir um und wischt sich mit einem weißen Taschentuch, das Grace gehört hat, die Tränen aus dem Gesicht. Wenig später tauchen Xander, Nix, Garrett, Bell und Charlotte auf, setzen sich neben River, und als Aerie kommt, schiebt sie sich neben mich. Ich bin völlig überwältigt, denn wir haben alle unsere Probleme in den Griff bekommen, und alle Menschen, die ich liebe, sind an diesem Morgen hier. Als Letzter erscheint Caleb. Er setzt sich neben Ben, dreht sich zu uns um und nickt uns zur Begrüßung zu.
»Selig sind die Trauernden, denn sie sollen getröstet werden.« Mit diesem vertrauten Satz beginnt der Gottesdienst – der erste Teil der letzten Reise unserer geliebten Grace. Ben sieht sich nach mir um, und obwohl der Schmerz, den er mir zugefügt hat, lange noch nicht abgenommen hat, bin ich hin- und hergerissen zwischen meinem Mitleid für den Sohn, der um die Mutter trauert, meiner Dankbarkeit dem Jungen gegenüber, der mich einst über den Tod meiner Mom und meines Dad hinwegtröstete, und meiner Verachtung für den Mann, der mich betrogen hat. Denn trotz seiner Fehler war Ben früher immer für mich da gewesen.
Mein Blick wird weich, als ich ihn ansehe, und ich spüre deutlich, dass dieses Kapitel meines Lebens endlich abgeschlossen ist. Als er sich wieder nach vorne dreht, weiß ich, dass er sich jetzt vollkommen verloren fühlt, und ich wünschte, ich könnte ihm in seiner Trauer helfen, doch das kann ich nicht. Ben muss seinen Weg alleine weitergehen. Er hat ihn selbst gewählt, und ich bin ihm jahrelang darauf gefolgt, aber jetzt habe ich eine andere Richtung eingeschlagen und gehe meinen Weg mit einem anderen Mann. Mein Herz zieht sich zusammen, als ich daran denke, dass wir alle jahrelang eine Familie waren – Grace, Serena, Trent und ich. Grace ist nicht mehr da, Trent ist auf Entzug, und Ben – zu ihm gibt es nichts mehr zu sagen. Weil das Thema endgültig für mich erledigt ist.
»Während wir hier versammelt sind …« Der Gottesdienst wird fortgesetzt, und ich lausche konzentriert den Worten, die der Priester spricht. Ich habe sie schon oft gehört, aber ihre Schönheit rührt mich, und ich denke zurück an die Frau, die ich gekannt und abgöttisch geliebt habe. Als die Musik einsetzt, stehen wir alle auf, und als sie wieder aufhört, setzen wir uns alle wieder hin. Ich weiß, wie es jetzt weitergeht, und schließe die Augen.
Als der Priester mit der letzten Fürbitte beginnt, reiße ich die Augen wieder auf. Es geht zu schnell – ich bin noch nicht bereit. Ich drücke Rivers Hand so fest, dass ich das Weiß von meinen Knöcheln sehen kann. Er hebt meine Hand an seinen Mund, küsst sie und legt seine freie Hand auf meinen Handrücken. Die Musik setzt wieder ein, und wir stehen auf. Jetzt ist es an der Zeit, nach vorn zu gehen und uns von ihr zu verabschieden.
Ich balle die Fäuste, hole Luft und trete vor den weißen Sarg. Sie liegt dort engelsgleich in ihrem marineblauen Kleid, aber ihre Augen leuchten nicht mehr. Ihre einst rosige Haut ist unter einer weißen Puderschicht versteckt, und die zusammengepressten Lippen sind geschminkt. Dabei hat sie nie Lippenstift benutzt. Am liebsten hätte ich ihn abgewischt. Meine Tränen hinterlassen Flecken auf dem glänzenden Satin. Wie gerne würde ich sie küssen und noch einmal ihre Hand berühren, doch das kann ich einfach nicht. Ich bringe es nicht über mich, einen Menschen zu berühren, wenn er so daliegt. Weil er einem so nah erscheint, dass man sich wünscht, dass er die Augen öffnet und beruhigend lächelt, während man gleichzeitig weiß, dass das unmöglich ist.
Hinter mir höre ich leises Murmeln, als ich meine Tasche öffne, meinen Armreif direkt neben ihrem Diamantring auf die gefalteten Hände lege und den kleinen Schraubenzieher in den Falten des Satins verschwinden lasse, während ich mit leiser Stimme sage: »Bitte nimm das hier mit auf deine Reise. Ich möchte, dass du weißt, dass ich immer sagen werde, was zu sagen ist, und dass ich mein Leben leben werde, ohne jemals irgendetwas zu bereuen.« Ich wende mich zum Gehen, drehe mich aber ein letztes Mal zu
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