Gefaehrlich verliebt in Mona Lisa 1
hinterher, als wir an einem flachen Brunnen vorbeikommen und dann mittendrin sind im Getümmel. Zum Glück geht das Kopfsteinpflaster hier in große, ebene Gehwegplatten über, sodass ich auf meinen High Heels halbwegs sicher vorankomme und nicht dauernd auf den Boden gucken muss.
„Ich will nicht jammern“, mache ich mich nach einer gefühlten halben Stunde Catwalk hinter Mama bemerkbar, „aber ist es richtig, dass wir bereits die zweite Metro-Station hinter uns lassen?“ Ich schwitze, obwohl es Dezember ist. Jetzt bin ich froh, dass ich keinen Rollkragenpullover trage.
„Du hast recht“, murmelt meine Mutter, „wir hätten fahren können. Aber ich dachte, ein wenig frische Luft und ein paar Menschen um uns herum könnten uns nicht schaden.“
„ Mama!“
„Jetzt reg‘ dich mal nicht künstlich auf. Wir sitzen beide viel zu oft auf dem Hintern.“ Nach einer kurzen Pause, fügt sie hinzu: „Du lässt ihn dir ja neuerdings auch noch versohlen. Morgen wird dein knackiges Popöchen blond und blau sein.“
Demonstrativ verdrehe ich die Augen und Mama kichert. Sie weiß selbst, dass sie das nichts angeht.
Endlich kündigt sich das Ende des Gewaltmarschs an. Hinter Louis Vuitton und vor Boss biegen wir links in die Rue Galilée ein. Wirklich grandios sieht es hier nicht aus.
„Wann bist du eigentlich auf die Idee gekommen, nach Paris zu fahren, Mama?“
„ Als ich heute Mittag einen Joghurt essen wollte und keiner mehr da war.“ Meine Mutter späht die schmale Straße hinunter, während unsere Schritte von den hohen Wänden der umliegenden Häuser widerhallen.
„Ich habe eine Schreibblockade, komme seit zwei Tagen nicht weiter. Ich quetsche mir das Hirn aus, schreibe drei Worte und lösche sie sofort wieder. Da dachte ich mir, eine kleine Luftveränderung könnte nicht schaden. Bei der letzten Blockade hat Paris mir auch geholfen.“
„Du hast den Krimi noch nicht fertig?“ Jetzt bin ich aber baff. Die Schnellschreiberin, die Disziplin in Person, immer pünktlich, hängt ausgerechnet auf den letzten Seiten fest. In der Zeit, in der ich ein halbes Drehbuch schreibe, fabriziert Mama drei Bestseller.
„Was redest du?“ Zwischen Mamas perfekt geformten Augenbrauen wächst eine steile Falte. „Der Krimi, von dem du sprichst, ist längst im Lektorat. Ich wollte einen neuen anfangen, hatte aber bisher keine gescheite Idee.“
Also bin doch nur ich solch ein Lahmarsch. Ich hoffe, dass ich auch irgendwann einmal so schnell bin wie Mama. Dafür würde ich gern eine Schreibblockade von zwei Tagen in Kauf nehmen, die ich in Paris auskuriere. Ich bin mir sicher, dass Mama den Kreativstau spätestes morgen nach dem Frühstück überwunden hat. Wenn ich Pech habe, will sie dann vorzeitig nach Hause zurück, um zu schreiben.
Wir passieren ein hübsches, kleines Hotel, dessen einladender Eingang an der Straßenecke liegt. Das hätte mir gut gefallen , aber leider gehen wir die Straße weiter hinunter. Der Gehweg wird immer schmaler und humpeliger. Das hier sieht alles nicht nach Mama aus. Bisher sind wir immer in First Class Hotels in schönen Gegenden abgestiegen. Was für ein Geheimtipp ist denn das? Oder verkaufen sich Mamas Bestseller etwa nicht mehr? Habe ich was verpasst?
Plötzlich bleibt sie stehen.
„Ich bin ja so gut“, freut sie sich. Sie legt den Kopf in den Nacken und sieht an einem schmalen, fünf oder sechsstöckigen Gebäude hoch (das Dach kann ich nicht erkennen). „Wir sind da. Ich habe es gefunden. Alzheimer bekomme ich bestimmt nicht.“
„Auf alle Fälle nicht mit 4 2“, gebe ich meinen Senf dazu und mustere das Hotel. Gepflegt ist es. Drei Sterne prangen auf dem Schild neben der Aluminium-Eingangstür. Einen Namen hat die Herberge anscheinend nicht. Jedenfalls kann ich keinen finden. Vermutlich steht er auf dem Dach. „Woher weißt du, dass es das richtige Hotel ist?“
„Links daneben ist ein marokkanisches Restaurant.“ Zielstrebig betritt Mutter das Hotel. Ich folge ihr, nachdem ich mich davon überzeugt habe, dass sich das Réstaurant Maroccain tatsächlich neben dem Hotel befindet.
An den Eingang schließt sich eine winzige Lobby an, die aussieht wie die Kellerbar von Monsieur Ribouet, einem unserer Nachbarn in Monthomé. Als wir die Lobby betreten, erhebt sich hinter der Rezeption eine Frau in meinem Alter, mit überschulterlangen, sehr blonden Haaren, die an den Spitzen extrem ausgefranst sind. Ein bisschen erinnert sie mich an die Schauspielerin Cameron
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