Gefaehrlich verliebt in Mona Lisa 1
Wahrscheinlich hat er sich mit dem Aufgesetztem betrunken, mit dem seine komische Mutter uns seit Jahren zu allen möglichen Anlässen quält, und schnarcht jetzt vor der Glotze.
Endlich zieht Mutter ihren Kopf ins Zimmer zurück und verschwindet mitsamt ihrem Shopper im Bad. Als sie dort herauskommt, trägt sie einen ähnlichen Herrenschlafanzug wie ich und auf ihrer Stirn prangt eine himmelblaue Schlafmaske mit springenden Schäfchen darauf. Nur mit Mühe kann ich ein Grinsen unterdrücken.
„Wie spät ist es?“, fragt sie laut, gibt sich die Antwort aber selbst. „Meine Güte, schon so spät! Null Uhr einundfünfzig. Jetzt aber ab ins Land der Träume. Schlaf gut, meine Kleine.“ Und schon ist das Licht aus. „Morgen suchen wir uns als erstes ein hübsches Frühstückscafé auf der Champs-Elysées“, verkündet sie. Von draußen fällt das Licht der Straßenbeleuchtung auf ihren Kopf und macht aus ihrem Haar einen Heiligenschein. „Darauf freue ich mich jetzt schon. Danach ziehen wir los, du und ich, Mutter und Tochter, und machen uns einen schönen Tag. Hast du eine Idee, wohin du auf jeden Fall willst?“
„In den Kosmetikladen, der vierundzwanzig Stunden geöffnet hat“, antworte ich prompt, während ich amüsiert an die Schäfchen auf der Schlafmaske meiner Krimi schreibenden Mutter denke.
„Was?“, kreischt sie. „Vierundzwanzig Stunden am Tag kaufen Frauen Lidschatten?“
„Und lassen sich ein perfektes Film-Make-up verpassen.“ Versonnen lächele ich in die Dunkelheit hinein. „Es kann nicht jeder von Natur aus so gut aussehen wie du.“ Meine Mutter benutzt nichts als ein wenig durchscheinendes Make-up, Wimperntusche und Lipgloss, und sieht trotzdem aus wie eine Göttin.
„Himmelherrgott“, stöhnt sie. „Glaube ja nicht, dass wir jetzt gleich dahin gehen. Morgen. Versprochen. Gott, sind die Frauen bekloppt! Ich halte dir zugute, dass du ins Filmgeschäft einsteigen willst. Film-Make-up hast du gesagt, oder?“ Als ich bejahe, sagt sie nur noch: „Gute Nacht, Jade.“
Ich bin zwar hundemüde, aber zu einem Ausflug in den Make-up-Tempel könnte ich mich noch aufraffen. Wie ich an Mamas demonstrativem Gähnen höre, wird daraus nichts. „Gute Nacht, Mama. Und versprich mir, dass du nie wieder in mein Zimmer rennst und meinen Freund verprügelst.“
„Ich habe ihn nicht verprügelt. Ich dachte, wir hätten das geklärt. Schlaf‘ endlich.“
Ein letztes Mal checke ich mein Hand y, dann schließe auch ich die Augen.
***
Zwei Stunden später reißt mich ein schleifendes Geräusch auf Höhe meines Kopfes aus dem Schlaf. Vor Schreck halte ich die Luft an. Jemand ist in unserem Zimmer. Und dieser Jemand befindet sich direkt neben mir. Das hält mein Herz nicht aus. Sofort schlägt es mit der Wucht eines Vorschlaghammers. Mit einer blitzschnellen Bewegung, von der ich nicht weiß, wie ich sie in der Aufregung überhaupt hinbekomme, rutsche ich auf die Bettseite meiner Mutter. Und stutze. „Mama? Mama, um Gottes willen, wo bist du?“
„ Pssst. Ich leihe mir nur dein Handy aus. Schlaf‘ weiter. Lass‘ dich nicht stören.“
„Mutter!“, ich schnappe nach Luft. Meine Stirn ist schweißnass. Es ist kalter Schweiß. Ich stehe kurz vor einem Schock. „Du hast mich zu Tode erschreckt. Weißt du eigentlich, wie mein Herz schlägt?“
„Das tut mir leid.“ Tappsende Schritte umrunden das Hotelbett. Doch Mutter kehrt nicht zurück in die Federn. Was sollte sie auch dort mit meinem Handy? Was will sie überhaupt damit?
Ich taste nach dem Lichtschalter. Da war doch diese wackelige Stehlampe neben dem Nachttisch.
„ Kein Licht anmachen“, zischt meine Mutter.
Meine Hand stockt. „Warum nicht? Was treibst du da eigentlich mitten in der Nacht?“
„Es ist drei Uhr morgens“, korrigiert sie mich mit flüsternder Stimme, als ob das eine zufriedenstellende Antwort auf meine Frage wäre.
„ Was treibst du um drei Uhr morgens mit meinem Handy?“, stöhne ich gequält.
„Ich will ein Foto machen.“
Endlich gewöhnen sich meine Augen an das Dunkel. Der Rüschenvorhang vor dem Fenster bewegt sich. Mama hat den Kopf wieder durch den Schlitz gesteckt.
Jetzt reicht es. Ich springe aus dem Bett und nähere mich dem Vorhang von der linken Seite. Da Mutter sich so vorsichtig bewegt, mache ich es mal lieber genauso. Wer weiß, was in der Wohnung auf der anderen Straßenseite vor sich geht. Ich will niemanden beim Vögeln erschrecken. Vorsichtig linse ich durch den Spalt zwischen Wand
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