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Gefährliche Begierde

Gefährliche Begierde

Titel: Gefährliche Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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er in sich zusammen und war kaum in der Lage, dem Gespräch zu folgen. Er fühlte sich wie dieser unglückliche Farn, der in der Ecke vor sich hin welkte.
    Tibbetts stellte die Fragen und Evelyn antwortete in ihrer üblichen Flüsterstimme, die auf Chase noch einschläfernder wirkte. Sie gab eine detaillierte Zusammenfassung des nächtlichen Geschehens ab. Ein typischer Abend, sagte sie. Abendbrot um sechs für die ganze Familie. Lammkeule mit Spargel, Zitronensoufflé zum Dessert. Richard trank ein Glas Wein; wie immer. Die Unterhaltung drehte sich um das Übliche, Gerüchte bei der Zeitung. Verkaufszahlen runter, Druckkosten hoch. Sorgen wegen eines möglichen Verleumdungsprozesses. Tony Graffam über einen Artikel verärgert. Und dann Gespräche über Phillips Examen, Cassies Noten. Der Flieder, der in diesem Jahr wunderbar blühte. Dass die Auffahrt neu gepflastert werden sollte. Ein typischer Dialog am Abendbrottisch einer Familie.
    Um neun verließ Richard das Haus, um noch ein paar Arbeiten im Büro zu erledigen; zumindest behauptete er das. Und Evelyn?
    »Ich ging nach oben, ins Bett.«
    »Und Cassie und Phillip?«
    »Sie gingen aus. Ich glaube, ins Kino.«
    »Also ging jeder seiner eigenen Wege?«
    »Ja.« Evelyn guckte auf ihren Schoß hinunter. »Und das war es. Bis halb eins, als der Anruf kam …«
    »Lassen Sie uns noch einmal auf das Gespräch am Abendbrottisch zurückkommen.«
    Dann folgte noch einmal eine Wiederholung. Hier und da kamen ein paar ergänzende Details dazu, doch im Großen und Ganzen blieb es bei derselben Geschichte. Chase, dessen letzte Wachsamkeitsreserven schwanden, driftete in einen halben Dämmerzustand. Seine Beine schliefen ein, während er kurz davor war, im lang ersehnten Schlaf zu versinken. Der Boden begann ziemlich gemütlich auszusehen. Horizontal. Man hätte sich auf ihn legen können. Und dann spürte er, wie er wegrutschte …
    Plötzlich schreckte er auf und stellte fest, dass alle ihn ansahen.
    »Bist du in Ordnung, Chase?« fragte Evelyn.
    »Entschuldigung«, murmelte er. »Ich schätze, ich bin müder, als ich dachte.« Er schüttelte den Kopf. »Könnte ich, äh, vielleicht irgendwo eine Tasse Kaffee bekommen?«
    »Unten in der Halle«, erklärte Tibbetts, »Da steht eine ganze Kanne voll und ein Sofa, falls Sie es benötigen. Warum warten Sie nicht da?«
    »Geh schon«, sagte Evelyn, »ich bin gleich fertig.«
    Mit einem Gefühl der Erleichterung floh Chase aus dem Büro und begab sich auf die Suche nach der erwähnten Kaffeekanne. Als er sich erneut im Korridor wiederfand, steckte er seinen Kopf durch die erste Tür in einen Waschraum. Die nächste Tür war verschlossen. Er ging weiter und schaute in einen dritten, unbeleuchteten Raum. Chase erkannte die Umrisse eines Sofas, ein paar Stühle und in der Ecke standen alle möglichen Möbel durcheinander. In der Seitenwand gab es ein Fenster. Es erregte seine Aufmerksamkeit, weil es nicht, wie ein normales Fenster, nach draußen ging, sondern in einen angrenzenden Raum. Durch die Glasscheibe beobachtete er eine Frau, die ganz alleine an einem schmalen Tisch saß.
    Sie war sich seiner Anwesenheit nicht bewusst. Ihr Blick war nach unten auf die Tischplatte gerichtet. Aus irgendwelchen Gründen fühlte er sich magisch angezogen. Es lag etwas Rätselhaftes in ihrer tiefen Ruhe und Unbeweglichkeit. Er fühlte sich wie ein Jäger, der unerwartet auf junges Wild gestoßen war.
    Er schlüpfte leise in den dunklen Raum hinein und schloss die Tür. Dann ging er zum Fenster, das – natürlich!
    – in Wirklichkeit ein Einwegspiegel war, durch das er sehr wohl, sie jedoch nicht hindurchsehen konnte. Sie hatte keine Ahnung, dass er da stand, obwohl nur ein halber Zentimeter Glas sie voneinander trennte. Er fühlte sich abscheulich, wie er dort so stand und sie heimlich beobachtete, aber er konnte nicht anders. Der alte Traum, sich unsichtbar machen zu können, nahm ihn vollständig gefangen. Und die Frau.
    Eigentlich war sie nicht besonders hübsch. Weder Kleidung noch Frisur unterstrichen die Vorzüge, die sie besaß. Sie trug verwaschene Jeans und ein Boston Red Sox T-Shirt, das ihr ein paar Nummern zu groß war. Ihr haselnussbraunes Haar hatte sie nachlässig zu einem Zopf zusammengebunden. An den Schläfen hingen ein paar widerspenstige Strähnen hinunter. Sie trug wenig oder gar kein Make-up, aber sie besaß auch die Art von Gesicht, die so etwas nicht nötig hatte. Genauso wenig wie die Fotomodelle aus dem Katalog für

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