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Gefährliche Begierde

Gefährliche Begierde

Titel: Gefährliche Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Meist kam ich mir nur dumm und einfältig vor. Aber dann ließ er mich nie in Ruhe. Er rief laufend an, weil er wieder mit mir zusammen sein wollte.«
    »Und das hat sie ebenfalls wütend gemacht?«
    »Ja, natürlich.«
    »Wütend genug, um ihn zu töten?« Sie sah ihn scharf an. »Nein.«
    »Waren Sie wütend genug, um ein Messer aus der Küchenschublade zu holen?«
    »Nein!«
    »Wütend genug, um ins Schlafzimmer zu gehen – Ihr Schlafzimmer, wo er nackt auf dem Bett lag – und ihm das Messer in die Brust zu stoßen?«
    »Nein! Nein, nein, nein.« Schluchzend schrie sie die Worte hinaus. Der Klang ihrer Stimme hallte wie der Schrei einer Außerirdischen von den Wänden dieses öden Raumes wider. Sie verbarg das Gesicht in den Händen und lehnte sich gegen den Tisch. »Nein«, flüsterte sie. Sie musste weg von diesem schrecklichen Mann mit seinen furchtbaren Fragen; deshalb erhob sie sich von ihrem Stuhl.
    »Setzen Sie sich hin, Ms. Wood. Wir sind noch nicht fertig.«
    Gehorsam ließ sie sich wieder auf dem Stuhl nieder.
    »Ich habe ihn nicht getötet«, weinte sie. »Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass ich ihn auf meinem Bett fand. Ich kam nach Hause, und er lag da …«
    »Ms. Wood.«
    »Ich war am Strand, als es passierte. Ich saß am Strand. Doch das erzähle ich Ihnen allen schon die ganze Zeit, aber mir hört ja niemand zu. Niemand glaubt mir …«
    »Ms. Wood, ich habe noch mehr Fragen.«
    Sie antwortete nicht. Nur ihr Schluchzen war zu hören. Schließlich schaltete Merrifield den Rekorder aus. »In Ordnung. Wir machen eine Pause. Eine Stunde und dann fassen wir noch einmal alles zusammen.«
    Miranda bewegte sich nicht. Sie hörte, wie er seinen Stuhl zurückschob, hörte, wie Merrifield den Raum verließ und die Tür hinter sich schloss, die ein paar Minuten später wieder geöffnet wurde.
    »Ms. Wood, ich werde Sie nun wieder in Ihre Zelle zurückbringen.«
    Miranda erhob sich langsam und drehte sich dann zur Tür, wo ein junger Polizist mit einem freundlichen Lächeln in einem netten Gesicht auf sie wartete. Officer Snipe las sie auf seinem Namensschild. Sie erinnerte sich vage an ihn. O ja. An Weihnachten, in einer anderen Zeit, in ihrem Leben vor dem Gefängnis, hatte er einmal ihren Strafzettel zerrissen. Das war eine nette Geste gewesen, eine galante Geste für eine Dame. Sie fragte sich, was er nun wohl von dieser Dame halten mochte und ob er das Wort Mörderin in ihrem Gesicht geschrieben sah.
    Sie ließ sich von ihm in den Korridor führen. An einem Ende entdeckte sie Lieutnant Merrifield, der in ein Gespräch mit Polizeichef Tibbetts vertieft war. Der höfliche Officer Snipe führte sie in die entgegengesetzte Richtung, weg von den beiden. Miranda war erst ein kurzes Stück gegangen, als sie plötzlich ins Stocken geriet.
    Am anderen Ende des Flurs stand ein Mann, der sie beobachtete. Sie hatte ihn noch nie zuvor gesehen, denn falls sie ihm schon einmal begegnet wäre, dann hätte sie sich bestimmt an ihn erinnert. Er wirkte wie eine unüberwindliche Hürde, wie er da in dem engen Gang stand, die Hände in den Taschen vergraben und mit bedrohlich breiten Schultern. Er sah nicht aus wie ein Polizist. Bei der Polizei gab es Standards, was das Erscheinungsbild betraf, und davon war dieser Mann mit seinem unrasierten Gesicht, den ungekämmten Haaren und dem zerknitterten Hemd weit entfernt. Am meisten jedoch störte sie die Art, wie er sie ansah. Das war nicht der Blick eines unbeteiligten Zuschauers. Nein. Sein Blick enthielt etwas feindseliges. Diese dunklen Augen urteilten, prüften und befanden sie für schuldig.
    »Gehen Sie weiter, Ms. Wood«, sagte Officer Snipe. »Es ist gleich um die Ecke.«
    Miranda zwang sich dazu, direkt auf die furchteinflößende, menschliche Barriere zuzugehen. Der Mann trat einen Schritt zur Seite, um sie vorbei zu lassen. Als sie ihn passierte, spürte sie seinen brennenden Blick und hörte, wie er durch die Zähne scharf einatmete, als wollte er nicht dieselbe Luft atmen wie sie, weil ihre Gegenwart die Atmosphäre irgendwie vergiftete.
    In den letzten zwölf Stunden hatte man sie wie eine Kriminelle behandelt, sie in Handschellen abgeführt, ihre Fingerabdrücke genommen und mit Demütigungen überhäuft. Doch nicht ein Mal hatte sie sich so elend gefühlt wie in diesem Moment; wie eine Kreatur, die nichts anderes verdiente, als mit Misstrauen und Abneigung betrachtet zu werden. Plötzlich flammte Wut in ihr auf, eine Wut, die sie ganz und gar zu verzehren

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