Gefaehrliche Begierde
gerührt, bis Kit in der Box war, dann hatte es plötzlich wild die Zähne gefletscht und war auf Kit losgegangen. Kit hatte heftig mit der Peitsche zugeschlagen, und den Schwarzen dadurch in Raserei versetzt. Er hatte sich aufgebäumt und mit den Hufen in die Luft geschlagen, bereit, den Jungen, der mit der Peitsche auf ihn einschlug, niederzutrampeln.
An diesem Tag hatte sein Zwillingsbruder Nicholas ihm das Leben gerettet.
»Du darfst ihn nicht schlagen!«, hatte Nick gerufen, und das Tier mit der Heugabel sanft in die Ecke der Box gedrängt. »Schnell, lauf!«, hatte Nick ihn aufgefordert, doch Kit war vor Angst wie gelähmt. Als sich das Pferd erneut aufbäumte und laut wieherte, hatte Nick die Heugabel fallen gelassen, seinen Bruder gepackt und war mit ihm vor den ausschlagenden, mit Eisen beschlagenen Hufen geflohen. An jenem Tag war Christopher Hatton bewusst geworden, dass sein Zwillingsbruder ihn mehr liebte als sein Vater.
Aber dass er ihn gerettet hatte, war nur die halbe Geschichte. Nick hatte Kits Reitkleidung angezogen und war unter dem kritischen Blick ihres Vaters auf dem schwarzen Jagdpferd geritten. Später hatte ihm Nick erklärt, dass auch das Pferd verängstigt gewesen war, und dass nur Freundlichkeit und eine feste Hand es besänftigen könnten. Es hatte ein ganzes Jahr gedauert, bis Christopher das Jagdpferd reiten konnte, ohne dabei schweißgebadet zu sein, und noch ein weiteres Jahr, bis er ihn mit der eleganten, wilden Kühnheit reiten konnte, die Nicholas angeboren zu sein schien.
Kit fühlte wieder, wie ihm der Schweiß zwischen den Schulterblättern hinunterrann, und der Geruch von Pferden, Stroh und Leder stieg ihm in die Nase, und ihm wurde übel. Doch er hatte gelernt, vor seinem Vater niemals eine Schwäche zu zeigen. »Er hat einen herrlichen Körperbau, wie würde dir der Name Renegade gefallen?«, fragte er gedehnt.
Henry Hatton lächelte zufrieden und wandte sich an Nicholas. »Im Haus wartet ein herrliches Paar Pistolen auf dich, mein Junge. Wenn du dich damit beschäftigst und fleißig übst, dann wirst du vielleicht eines Tages sogar an Christophers Geschick heranreichen.«
Als der Vater gegangen war, fluchte Kit: »Gütiger Himmel, warum nur ist er so verdammt begriffsstutzig?«
Nicholas legte seinem Bruder einen Arm um die Schultern. »Er ist nicht begriffsstutzig, Kit. Er weiß ganz genau, dass ich eine Leidenschaft für Pferde habe und du eine Leidenschaft für Waffen.«
Kit ballte hilflos die Hände zu Fäusten und fluchte zwischen zusammengebissenen Zähnen: »Ich hasse diesen Hundesohn, du nicht auch?«
Nicks graue Augen wurden dunkel, als er seinem Vater nachsah. Langsam schüttelte er den Kopf. »Nein, Kit, ich hasse ihn nicht, ich habe Mitleid mit ihm.«
Weil Lady Longford, Alexandra und Rupert schon am Samstag vor den anderen Wochenendgästen eintrafen, und alte Freunde der Familie waren, konnten sie sich ihre Schlafzimmer aussuchen. Alexandra bat Mr. Burke, den Majordomus, um das Zimmer, das genau über dem von Nicholas Hatton lag. Sie erinnerte sich daran, dass sie als Kind Rupert und Christopher dabei erwischt hatte, wie sie Nick durch ein Guckloch im Boden des Zimmers beobachtet hatten. Alexandra hoffte, dass es dieses Loch noch gab, denn sie hatte vor, es zu benutzen.
Als sie das große Fenster öffnete, von dem aus man auf den hübschen See blickte, weckte der hölzerne Kahn am Ufer Erinnerungen an ihre Kindheit. Sie erblickte Christopher Hatton in einiger Entfernung und erinnerte sich daran, dass heute sein Geburtstag war, während Nicks erst in zwei Tagen gefeiert wurde. Sie wusste, dass es Kit war, den sie gesehen hatte, denn selbst aus dieser Entfernung konnte sie die Staffelei erkennen. Sie entschloss sich, ihm Gesellschaft zu leisten, und griff nach ihrem Skizzenblock.
»Meinen Glückwunsch zu deinem Geburtstag, Kit. Du bist hierher gekommen, um den Gästen aus dem Weg zu gehen, und ich konnte natürlich nicht widerstehen, deinen Frieden und deine Ruhe zu stören.«
»Hallo, Zwerg. Woher hast du gewusst, dass ich ihnen aus dem Weg gehe?«
»Von deinem Sternzeichen, natürlich. Ich weiß alles über dich - über deine wechselnden Stimmungen, wie du dich versteckst ähnlich wie ein Krebs in seinem Haus. Du bist voller Geheimnisse und hast eine empfindsame Seele.«
Er malte ein Stillleben mit einem Paar Fasane, die er zuvor geschossen hatte. Die Vögel lagen auf dem Boden neben einem Gewehr, das er an einen Baum gelehnt hatte. Obwohl sein
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