Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung
Entlassung nach zwei Dritteln der Strafe, 22 nach Ende der Freiheitsstrafe, zum Beginn der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung und bei Prüfungsterminen zur Fortdauer der Sicherungsverwahrung. Alle diese Überprüfungen bringen keine Bewegung: Tatverleugnung bedeutet keine Therapie und keine Entlassung. So schreibt der Leiter der Justizvollzugsanstalt noch im August 2010 in einer Stellungnahme über Gerhard Kraus anlässlich des Verfahrens nach § 67e StGB 23 : „Eine therapeutische Aufarbeitung der Straftaten sowie der dieser zugrunde liegenden Problematik konnte zu keinem Zeitpunkt erfolgen, da der Sicherungsverwahrte die Straftaten durchweg geleugnet hat und keinerlei Motivation zu einer Aufarbeitung zeigte (…). Zusammenfassend kam der Gutachter bereits zum damaligen Zeitpunkt zu dem Ergebnis, dass alle statischen, also nachträglich nicht mehr korrigierbaren Prognosefaktoren wie biographische Daten und Vordelinquenz bei dem Sicherungsverwahrten sehr ungünstig seien. Bei den dynamischen Faktoren, bei denen der Verurteilte Gelegenheit gehabt hätte, durch eigenes Zutun ein positives Gegengewicht zu schaffen, sehe es nicht besser aus. Weder habe er sich in Haft einer Therapie unterzogen, noch seine Straftaten als Bestandteil seines Lebens akzeptiert und aufgearbeitet. Als einzig positive Variable verbleibe die Persönlichkeitsänderung aus sich heraus mit fortschreitendem Alter.“
Diese Stellungnahme wurde erstellt, als die ersten Sicherungsverwahrten bereits aufgrund des Straßburger Urteils entlassen sind. Der Text ist wörtlich aus einem bereits im Jahr 2007 erstellten Prognosegutachten übernommen. Nicht übernommen ist allerdings der Absatz, der im damaligen Gutachten folgte und in dem der Gutachter ausführte: „Der heute5 7-Jährige ist sicher nicht mehr der gleiche wie vor 31 Jahren. Er ist deutlich ruhiger geworden und viele psychopathologischen Merkmale lassen sich nicht mehr nachweisen. Wahrscheinlich gehört er nicht mehr zu einem Hochrisiko-Klientel, bei dem die individuelle Risikodisposition eindeutig zu beantworten wäre. Das verbleibende Risiko ist den vorangestellten Ausführungen nach nur schwer zu beurteilen, die prognostischen Unsicherheiten sind mit psychiatrischen Methoden nicht aufzulösen. Die Psychiatrie als Interpretationswissenschaft stößt an ihre Grenzen, wo bei den entscheidenden Fragen beobachtbares Verhalten fehlt.“
Nicht aufgenommen in ihre Stellungnahme vom August 2010 hat die Justizvollzugsanstalt auch den Tenor eines Beschlusses des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom Mai 2008, in dem es zu Gerhard Kraus heißt: „Die aus der Stellungnahme der JVA Freiburg vom 11. 04. 2007 erkennbare Haltung, therapeutische Angebote – insbesondere psychologische Gespräche – im Sinne einer Bringschuld des Untergebrachten nur dann zu unterbreiten, wenn sie von diesem gewünscht werden, wird der den Vollzugsanstalten nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zugedachten aktiven Rolle bei der Resozialisierung nicht gerecht – zumal es sich bei den betroffenen Untergebrachten in der Regel um Personen handelt, denen es allein aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur nicht leicht fallen dürfte, eigeninitiativ Zugang zu therapeutischen Angeboten zu finden. Hinzu kommt, dass die Vollzugsanstalt der Anregung der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Freiburg in ihrem Beschluss vom 15. 8. 2005, den Untergebrachten in Lockerungen zu erproben und ihm begleitete Ausgänge zu gewähren, nicht gefolgt ist. Da auch der Sachverständige regelmäßige begleitete Ausführungen empfohlen hat, erwartet der Senat, dass diese Lockerungen nunmehr Eingang in die Vollzugsplanung finden. Auch wenn der Untergebrachte sich seit Jahren der sicherlich wünschenswerten Sozialtherapie verweigert,folgt der Senat dem Sachverständigen in seiner Einschätzung, dass eine niederschwellige Verhaltenstherapie, die allein dazu dienen soll, soziale Kompetenzen durch das Erlernen von Verhaltensstrategien zu erhöhen, nicht aussichtslos ist und im Sinne des Versuchs einer Resozialisierung des Untergebrachten geboten ist. Auch bei dieser Maßnahme kann aufgrund der vorstehenden Erwägungen nicht auf die Initiative des Untergebrachten gewartet werden. Da nach Aktenlage kein nennenswerter Kontakt zu dem zuständigen Anstaltspsychologen besteht, hält es der Senat für angezeigt, für das Therapieangebot auf einen anderen – ggf. auch externen Psychologen zurückzugreifen.“
In dieser Deutlichkeit hat das
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