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Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung

Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung

Titel: Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Asprion
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wieder entwickelte – soziale Kompetenz stellen auch die Therapeuten der Forensischen Ambulanz fest, die im Rahmen der mit Gerhard Kraus geführten Gespräche abschließend darüber berichten, dass vermutlich durch die positive Entwicklung seiner Lebenssituation eine deutlich spürbare Veränderung in seinem Kontakt- und Beziehungsverhalten wahrnehmbar sei. Auf den Mitarbeiter der Forensischen Ambulanz wirke er offener, freundlicher und dialogfähiger. Möglicherweise hat bereits die ehrenamtliche Betreuerin Hedwig Schilling bei Gerhard Kraus den Grundstein für diese Entwicklung gelegt. Beide haben inzwischen den Kontakt miteinander wieder aufgenommen, Hedwig Schilling begleitet Gerhard Kraus in regelmäßigen Gesprächen.
    Auch Ludwig Roser zeigt im Umgang mit seiner Umgebung seine soziale Kompetenz. Zu erkennen ist das im Umgang mit den Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern in seiner Unterkunft. Er nimmt Kontakt zu ihnen auf, man kocht, isst miteinander und hilft sich mit Gefälligkeiten aus. Ludwig Roser ist ein planender Mensch, der kostengünstig einkaufen kann und dies auch für die Nachbarn gelegentlich mit erledigt. Als es mit einer Nachbarin zu Unstimmigkeiten kommt, die von der Polizei sofort registriert und überprüft werden, zeigt sich auch für die Polizei, dass Ludwig Roser sich in keinster Weise übergriffig, sondern angemessen verhalten hat.
    Ludwig Roser nimmt mit Medien Kontakt auf, denn er will mitteilen, was ihm widerfahren ist und wo er sich ungerecht behandelt fühlt. Und das gelingt ihm in aller Regel angemessen. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung, oder auch die Stuttgarter Zeitung berichten in sachlichem und ruhigem Ton über seine Situation. 42
    Aber nicht immer sind seine Mitteilungen erwünscht. Die Evangelische Akademie Bad Boll veranstaltet mit den Baden-Württembergischen Verbänden der Straffälligenhilfe eine Tagung zum Thema: „Sicherungsverwahrung und Führungsaufsicht. Wie gehen wir mit gefährlichen Straftätern um“. 43 Die Veranstaltung hat eine lange Tradition und lässt auch immer wieder Betroffene selbst zu Wort kommen. Ludwig Roser erhält von der Akademie eine Einladung und erklärt sich bereit, den Tagungsteilnehmern von seinen Erfahrungen zu berichten. Die zuständige Führungsaufsichtsstelle beim Landgericht Freiburg genehmigt seinen Antrag, Freiburg zur Teilnahme an der Veranstaltung zu verlassen. Doch auf Veranlassung des Vorsitzenden des Württembergischen Verbands Bewährungs- und Straffälligenhilfe lädt die Akademie Ludwig Roser wieder aus. Der Vorsitzende des Verbands ist gleichzeitig Generalstaatsanwalt von Württemberg, und es liegt die Vermutung nahe, dass hier nicht zuletzt auch polizeiliche Interessen vertretenwerden sollten. Dass ein Generalstaatsanwalt beruflich einen guten Draht zum Landeskriminalamt haben muss, ist naheliegend. Dass dies in dieser Weise Bildungsveranstaltungen beeinflusst, wirkt zumindest auf mich befremdend.
    Ludwig Roser erlebt im ersten Jahr nach seiner Entlassung eine Reihe ähnlicher frustrierende Situationen. In vielen Gesprächen äußert er seine Enttäuschung darüber, aber nach wie vor ist er in der Lage, all das zu ertragen und nicht mit unangemessenen Aktionen zu reagieren. Im Gegenteil: Seit Jahren pflegt er einen Briefkontakt mit einer älteren Dame, die ihn auf diesem Weg in der Haft unterstützen und einen Kontakt „nach draußen“ bieten wollte. Persönlich sind sie sich bisher nie begegnet. Seit der Entlassung hat sich der Kontakt über Telefonate noch intensiviert. Im Sommer 2011 ergibt sich die Situation, dass Ludwig Roser die Dame telefonisch nicht mehr erreichen kann. Nach zwei Tagen vergeblicher Kontaktversuche informiert Ludwig Roser Polizei und Notdienste vor Ort – die Dame lebt mehrere Hundert Kilometer von Freiburg entfernt. Man findet sie in hilfloser gesundheitlicher Situation vor, Schlimmeres kann gerade noch verhindert werden. Hätte Ludwig Roser nicht sozial und kompetent reagiert, wäre die Frau möglicherweise heute nicht mehr am Leben.

Schwarzer Peter spielen
    Es fragt sich, wie eine wirklich angemessene Reaktion der Politik auf die Entlassungen hätte aussehen können. Immerhin ist die Situation rechtlich eindeutig. Die Bundesrepublik Deutschland wird von einem internationalen Gerichtshof wegen Verletzung der Menschenrechtskonvention verurteilt. Beim Tatbestand handelt es sich um freiheitsentziehende Maßnahmen. Dieser Freiheitsentzug betraf etwa achtzig Inhaftierte in deutschen Gefängnissen und

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