Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung
abgestuften Betreuungsintensität der Klienten festgelegt, wodurch sichergestellt werden soll, dass Klienten mit intensivem Betreuungsbedarf diese Betreuung auch erhalten. Als Sexualstraftäter sind die entlassenen Sicherungsverwahrten in der intensivsten Betreuungsstufe einzustufen.
Bei Ludwig Roser und Gerhard Kraus bedeutet der Beschluss, dass wir uns seit ihrer Entlassung mindestens einmal die Woche persönlich sprechen. Die Themen der Gespräche verändern sich. Zunächst geht es um Fragen der Zusammenarbeit, die Lebenssituation wird in einer Analyse festgehalten, es werden Ziele gesucht, die sie anstreben.
Probleme der Alltagsgestaltung, die Regelung formaler Dinge wie polizeiliche Anmeldung, Sozialleistungen beantragen, Konto eröffnen, Krankenkasse anmelden und dergleichen mehr nehmen den größten Raum ein. Beide waren lange imGefängnis, das Leben außerhalb der Anstalt ist weitergegangen. Bei beiden überrascht mich, wie schnell sie mit den Alltäglichkeiten zurechtkommen. Gerhard Kraus, dem man eine eigenständige Lebensführung nicht mehr zugetraut hatte, entwickelt eine Haushaltsplanung, die für manchen anderen Haftentlassenen vorbildlich wäre.
Längerfristige Ziele sind schwer zu planen. Bei allen Vorhaben wirken die polizeilichen Maßnahmen als starkes Hindernis. Wie beklemmend die polizeiliche Dauerbegleitung sich anfühlt, kann ich bei vielen Begleitgängen am eigenen Leib spüren. Auch wenn die Beamten freundlich und hilfsbereit sind, ist es eine spürbare Belastung, dass jeder Schritt beobachtet wird. Und dann wachsen auch Phantasien darüber, was noch überwacht wird, Telefon, Post, Internet?
Hinzu kommt das Wissen, dass man in der Gesellschaft nicht erwünscht ist. Regelmäßig steht in den Medien, welche Maßnahmen zukünftig noch getroffen werden könnten, um die entlassenen Verwahrten wieder hinter Gitter zu bringen. Ob der Gerichtshof in Straßburg die Entlassung mit diesen Begleitumständen als menschenwürdig ansehen würde, ist fraglich.
Gemeinsam mit einer Kollegin biete ich den Männern regelmäßige Gruppentreffen an. Die „Bremer Stadtmusikanten“ sind unser Leitbild; eine Gruppe von alten Tieren, die von ihren Besitzern nicht mehr erwünscht und vom Tod bedroht sind, macht sich gemeinsam auf den Weg und findet im Haus der Räuber im Wald für sich eine Möglichkeit, den Lebensabend gemeinsam zu verbringen. Diese Lösung finden wir in der Gruppe nicht, aber die Aussprache darüber, dass es anderen ähnlich ergeht, lässt die Situation doch ab und an erträglicher erscheinen.
Neben den alltagspraktischen Fragen steht natürlich auch die Frage im Raum, wie ein Rückfall verhindert werden kann. Nach wie vor bestreitet Gerhard Kraus, die verurteilten Deliktebegangen zu haben, Ludwig Roser hat in der Haft bereits drei Jahre stationäre Therapie in der Sozialtherapeutischen Anstalt durchlaufen; beide haben in der Haft weitere therapeutische Maßnahmen verweigert. Sie haben kein Vertrauen in Therapeuten, schon gar nicht, wenn diese vom Staat beauftragt sind. Was aber therapeutisch zunächst für beide wichtig erscheint, ist eine allgemeinärztliche Versorgung.
Fragen Sie Ihren Arzt
Als Bezieher von Arbeitslosengeld II sind Ludwig Roser und Gerhard Kraus Mitglied einer Krankenkasse geworden. Dies war unproblematisch, die formalen Voraussetzungen lagen vor. In der Haft hatten beide sich vom Anstaltsarzt wenig beachtet und nicht ausreichend untersucht und behandelt gefühlt. Nach einigen Anlaufschwierigkeiten finden wir niedergelassene Ärzte, die die beiden trotz der auch für eine Arztpraxis unangenehmen Begleiterscheinung der polizeilichen Observation als Patienten annehmen. Beim ersten Besuch begleite ich die Klienten und kann auch die Polizeibeamten überzeugen, dass dem Arzt und seinem Personal keine Gefahr droht und medizinische Untersuchungen doch einen sehr intimen persönlichen Bereich darstellen. Die Polizeibeamten warten in der Behandlungszeit „unauffällig“ im Wartezimmer.
Mit den Ärzten wird auch die Frage einer psychotherapeutischen Behandlung besprochen, für die sie eine entsprechende Überweisung an einen geeigneten Fachmann ausstellen wollen.
Psychotherapie oder die Angst vor dem Seelendoktor
Gerhard Kraus und Ludwig Roser haben vom Gericht die Weisung erhalten, sich regelmäßig beim Psychotherapeuten der Forensischen Ambulanz vorzustellen, eine Maßnahme, die in den Regelungen zur Gestaltung der Führungsaufsicht vorgesehen ist. Aus dem Wissen, dass eine
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