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Gefährliche Freiheit

Gefährliche Freiheit

Titel: Gefährliche Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Peterson Haddix
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abwenden musste. Irgendjemand begann ein Lied zu singen, das vermutlich selbst gedichtet war:
     
    Halli-hallo,
    das war’s, Bepo.
    Die Bepo ist fort,
    was sind wir froh,
    halli-hallo …
     
    Eine Gruppe Jugendlicher tanzte zu dem Lied und beendete den Vers jedes Mal mit einem heftigen Aufstampfen.
    »So ist’s recht! Zertretet die Bepos!«, schrie jemand neben Lukes rechtem Ohr. »Tretet sie alle tot!«
    Johlend zog der Mann weiter und verschwand in der Menge. Lukes Zittern verwandelte sich in Schwindelgefühl. Die Farben und Geräusche vermischten sich. Vielleicht hilft es, wenn ich etwas esse, sagte er sich und zerrte an dem Beutel, den er immer noch an der Hüfte trug. Er holte die letzte trockene Kruste des Brotes heraus, das Eli ihm gegeben hatte, und wollte gerade hineinbeißen.
    »He, Junge, das musst du wirklich nicht essen«, sagte jemand neben ihm. »Oben im Haus gibt es jede Menge gute Sachen. Du kannst dich einfach bedienen.«
    »Ist schon in Ordnung«, murmelte Luke und kaute das harte, trockene Brot.
    Das Schwindelgefühl legte sich ein wenig. Er hatte jetzt genug Kraft, um sich weiter durch die Menge zu schieben. Wenn ich nur Nina oder Trey finden könnte, sagte er sich. Wenn mir das gelingt, wird alles gut. Vielleicht waren auch Mr Talbot und Mr Hendricks gekommen, um mitzufeiern. Sein Bruder Mark könnte ebenfalls da sein. Sogar seine Eltern und Matthew. Das ganze Land schien sich auf dem Gelände der Bevölkerungspolizei versammelt zu haben – warum nicht auch seine Freunde und Familie?
    Luke stolperte weiter, sah nach links und rechts und blieb alle Augenblicke stehen, um die Menge, die oben auf der Mauer jubelte und tanzte, nach seinen Freunden abzusuchen. Nachdem er damals sein Versteck verlassen und in die Hendricks-Schule gekommen war, hatte er anfangs große Schwierigkeiten gehabt, Menschen auseinanderzuhalten. Für ihn sahen alle mehr oder weniger gleich aus und er hatte sich die Gesichter seiner Mitschüler und Lehrer nur schwer einprägen können. Jetzt überfiel ihn sekundenlang die Angst, dass er das gleiche Problem wieder haben könnte: Was war, wenn ihm in dieser Menschenmenge selbst vertraute Gesichter plötzlich fremd erschienen und er an ihnen vorüberging?
    Er rief sich Ninas lebhaftes Gesicht und ihre hellen Zöpfe in Erinnerung. Und er sah die von Sorgen gezeichneten Gesichter seiner Eltern vor sich, mit ihren unzähligen Falten, die sich ihm unbewusst eingeprägt hatten. Mr Hendricks saß im Rollstuhl – einen vorbeifahrenden Rollstuhl würde Luke wohl kaum übersehen.
    Er fühlte sich ein wenig besser, doch nach wie vor konnte er in der Menschenmenge kein bekanntes Gesicht erkennen.
    »Komm, tanz mit uns!«, rief ein Mädchen und griff nach seiner Hand. Luke wich zur Seite.
    »Nein, danke – jetzt nicht«, murmelte er und ging ein paar Schritte rückwärts, um ihr zu entkommen.
    Er schaute an ihr und den anderen Tänzern vorbei zum mächtigen Bau des Hauptquartiers. Als Luke zum ersten Mal hierhergekommen war, hatte das Gebäude den Grants gehört, jener Familie, die ihm zu seinem ersten falschen Namen verholfen hatte. Den größten Teil seiner Zeit bei den Grants hatte er entsetzliche Angst ausgestanden, und auch die Panik, die ihn ergriffen hatte, als er zurückgekommen war, um Mitglied der Bevölkerungspolizei zu werden, war ihm noch gut in Erinnerung. Jetzt war das gesamte Gebäude hell erleuchtet und er sah Menschen mit Essbarem beladen an den Fenstern vorübergehen. Sie lachten und riefen, jubelten und tanzten, genau wie die Leute draußen auf dem Rasen.
    Wo sind nur die barschen Officers abgeblieben, die uns ständig angebrüllt haben? Und wo ist der Chef der Bevölkerungspolizei, Aldous Krakenaur?, fragte sich Luke. Irgendwie konnte er sich nicht vorstellen, dass sämtliche Anführer einfach so davongerannt waren oder aufgegeben hatten.
    Luke taten die Füße weh und die Musik und der Lärm verursachten ihm Kopfschmerzen. Er wollte seine Freunde finden, aber er war die Suche leid. Nachdem er die Menge ein zweites Mal erfolglos umrundet hatte, zog er sich zurück, bis er abseits der Massen unter einem einzelnen Baum stand. Gedankenlos sah er an ihm hinauf und fragte sich, warum er ihm so bekannt vorkam.
    Natürlich, fiel ihm ein. Er war wieder bei den Ställen. Diesen Baum hatte er oft angesehen, wenn er dagestanden und auf die tägliche Inspektion gewartet hatte. Er starrte weiter hinauf und schwankte benommen. Dann drehte er sich um und schlich sich in den

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