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Gefährliche Freiheit

Gefährliche Freiheit

Titel: Gefährliche Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Peterson Haddix
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Stall.
    Drinnen war es dunkel; offensichtlich waren die Massen auf dem Gelände noch nicht bis hierher vorgedrungen. Oder es hatte sich schon jemand umgesehen und festgestellt, dass es hier nichts zu sehen gab. Luke blieb im Türrahmen stehen und sog den vertrauten Geruch nach Heu und Pferden ein und natürlich nach Mist – es kam ihm sogar vor, als rieche es stärker nach Mist als gewöhnlich, wahrscheinlich, weil Luke ihn schon länger nicht mehr gerochen hatte.
    »Hallo?«, rief er leise.
    Ein Pferd gab wiehernd Antwort. Überzeugt, dass es Jenny war, warf Luke alle Vorsicht über Bord und schaltete das Licht an.
    »Hallo, mein Mädchen. Hast du mich vermisst?«, flüsterte er und ging zu ihrer Box hinüber.
    Jetzt waren alle Pferde auf ihn aufmerksam geworden; einige wieherten laut und schlugen mit dem Kopf gegen die Boxentür.
    »He, he, was ist denn los mit euch?«, murmelte Luke. »Ruhig, ruhig – ihr ruft mir noch die ganze Horde auf den Plan. Sie werden kommen und nachsehen, was los ist.«
    Einige der Pferde begannen, gegen ihre Futtereimer zu stoßen. Die leeren Gefäße schepperten über den Boden.
    »Ihr benehmt euch, als hättet ihr heute noch kein Futter gesehen«, schimpfte Luke.
    Oh, dachte er dann, weil ihm einfiel, dass Simone in den Fernsehnachrichten berichtet hatte, die meisten Arbeiter der Bevölkerungspolizei seien gestern Abend fortgegangen. Sie sind weg und keiner hat sich mehr Gedanken um die Pferde gemacht.
    Luke starrte den Boxengang hinab – zwölf auf jeder Seite, vierundzwanzig insgesamt. Er dachte daran, wie viele Stalljungen sich sonst um die Tiere gekümmert hatten, und ihn schwindelte ein wenig. Er ging zu Jennys Stall hinüber, zog den Stift aus dem Schloss und machte die Tür weit auf.
    »Raus mit dir, Jenny!«, sagte er. »Wenn die Menschen frei sind, müssen die Pferde es auch sein! Geh und such dir dein Futter selbst!«
    Luke trat zur Seite und gab Jenny den Weg frei. Die Stute starrte ihn an, senkte dann den Kopf und schob ihm den Futtereimer hin. Ebenso gut hätte sie sagen können: Ich will nicht frei sein. Ich will, dass du mich fütterst.
    »Hast du mich nicht gehört?«, schrie Luke. »Du bist frei! Frei! Mach, dass du rauskommst!«
    Luke holte aus und versetzte Jenny einen kräftigen Klaps. Die Stute erschrak, rührte sich aber nicht von der Stelle und blieb, wo sie war, direkt vor dem Futtereimer. Wieder hob sie den Kopf und schaute Luke bittend an. Der dachte daran, wie oft ihn dieser Blick getröstet hatte, wie viel Mitgefühl für seine Misere er in diesen dunklen Augen immer gesehen zu haben meinte.
    »Na gut!«, brummte er. »Ich hab verstanden. Du bist eben nur ein dummes Tier. Hast nie irgendwo anders als in deinem Stall gefressen. Du weißt eben nicht, was Freiheit ist!«
    Er machte Jennys Box wieder zu und ging nach hinten in den Stall, um den Hafer zu holen.
    Es dauerte Stunden, sämtliche Pferde zu füttern und die Ställe auszumisten. Doch als Luke in Jennys Box schließlich auf das frische Stroh sank, das er gerade hineingegabelt hatte, hörte er draußen immer noch Musik und Jubelrufe.
    Diese Leute scheinen wirklich frei zu sein, dachte er und wickelte sich in den Quilt. Warum kann ich es nicht auch sein?

 
22. Kapitel
     
    Am nächsten Morgen erwachte Luke in Jennys Box. Irgendwann in der Nacht hatte sie sich neben ihn gelegt, als wollte sie ihn beschützen. Oder verstecken.
    »Du bist doch nicht nur ein dummes Tier, was, mein Mädchen?«, murmelte er und streckte die Hand aus, um ihr den Hals zu tätscheln. »Wir passen aufeinander auf, ja?«
    Luke stand auf und gab den Pferden wieder zu fressen. Er war froh, etwas zu haben, auf das er sich konzentrieren konnte, etwas, das er einfach tun musste. Allerdings erinnerte ihn der Anblick der kauenden Pferde daran, dass er am Vortag nichts als Elis trockenes Brot gegessen hatte.
    Wenn ich mich nicht mit Hafer zufrieden geben will, sagte er sich, muss ich wohl ins Hauptquartier.
    Bei dieser Vorstellung erschien ihm Hafer richtig appetitlich.
    Hör auf damit, wies er sich zurecht. Was würde Jen sagen, wenn sie wüsste, dass die Bevölkerungspolizei fort ist und ich immer noch Angst davor habe, den Pferdestall zu verlassen?
    Weil ihm einfiel, wie schmutzig sein Spiegelbild am Vorabend in Simones Kameralinse ausgesehen hatte, nahm er sich die Zeit, an der Pumpe neben dem Wassertrog Gesicht und Hände zu waschen. Dann ließ er alle Vorsicht fahren, hielt den ganzen Kopf unter den Wasserstrahl und wusch sich

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