Gefährliche Gefühle - zu schön zum Sterben
saÃen. Wobei im Grunde jeder neben dem Büfett saÃ, denn die Tafel voller Essen zog sich von einem Ende des Zeltes bis zum anderen. Ganz vorne stand eine Kristallschale in der GröÃe einer Kinderbadewanne voller Beluga-Kaviar, neben einer silbernen Platte mit kleinen Pfannkuchen. Und dann gab es noch alles, was das Feinschmeckerherz begehrte, und zwar in rauen Mengen: Langusten, Hummer, Riesengarnelen, einen ganzen Hecht in einer Art knusprigem Speck-Schlafsack, Dutzende gebratene Gänse und Hühner und Platten voller hauchzartem Carpaccio, Gänseleberpastete und eine Keramikschüssel mit Käsefondue, die ein Koch auf Wunsch in kleine Schälchen füllte und mit frischem Trüffel garnierte. In einer Ecke des Zelts war in einer Art offenem Erker ein gigantischer Grill aufgebaut, auf dem über der Glut fünf Spanferkel rotierten, neben einem Rost mit ungefähr einer Million SchaschlikspieÃe, die von einem groÃen, bärtigen Mann mit Kochmütze im Halbminutentakt gedreht wurden. An einem extra Tisch war das Nachtischbüfett aufgebaut, dessen Anblick einen bereits in Zuckerschock versetzen konnte: eine unübersichtliche Menge an Buttercreme-Torten mit Zuckerrosen- und Blattgoldverzierungen auf Bergen von Sahnekringeln.
»Hallo Mama, hallo Papa! Das sind meine Freundinnen aus der Schule. Kim und Natascha«, rief Irina.
Irinas Vater Andrjuscha hatte eine knubbelige Nase, Haare in der Farbe von Pfützenwasser und hellblaue Augen. Sein Gesicht war durchzogen von geplatzten Ãderchen. Er trug einen glänzenden dunkelblauen Seidenanzug. Irinas Mutter hieà Katjuschka. Sie trug ein weinrotes Kleid aus schwerer Seide und war sehr breit. Breites Gesicht, breite Schultern, breiter Hintern. Sogar ihre Hände waren breit. Das Einzige, was noch breiter war, war ihr Lächeln. Sie begrüÃte uns fast überschwänglich und die beiden luden uns sehr herzlich an ihren Tisch ein. Andrjuscha schenkte mir ein Glas Rotwein ein, bevor ich sagen konnte, dass ich lieber von dem Wasser aus der Karaffe haben wollte, die vor Kälte milchig beschlagen war.
Katjuschka sagte: »So und jetzt wird gegessen.« Sie sprang auf und kam wenig später wieder mit einem Teller voller Kaviar und kleiner Pfannkuchen. »Russischer Kaviar! Geht nichts über russischen Kaviar!«, sagte sie. »Musst du probieren! Blini isst man dazu.«
»Entschuldigung«, sagte Kim, »ich muss auf die Toilette.« Mir raunte sie ins Ohr: »Wenn ich meine Zeit mit Essen vergeude, sind die besten Typen schon weg.«
Kaviar hatte ich bisher erst einmal auf der Feier einer Freundin meiner Mutter probiert, aber damals hatte es ihn nur in homöopathischen Dosierungen gegeben. Was eigentlich eine gute Sache war, dachte ich nach dem ersten Löffel. Es war salzig und fischig und trotzdem gut, aber ich hätte lieber nur die Hälfte von dem gegessen, was Katjuschka mir mitgebracht hatte. Aber weil sie so aufmunternd guckte und der Kaviar mit den Blini und der Creme fraîche zusammen echt lecker und ich echt hungrig war, stopfte ich mir den Kaviar komplett rein. Kurz bevor ich aufgegessen hatte, entdeckte ich am Zeltrand hinter einer Menschenmenge einen japanischen Koch, der irgendwas auf einer groÃen heiÃen Platte brutzelte. Andrjuscha fing meinen Blick auf. »Macht Kobesteak. Ist auch gut!«
Koberindfleisch! Das teuerste Fleisch der Welt! Kein Wunder, dass der japanische Koch so umlagert war.
»Oh, das wollte ich immer schon mal essen«, sagte ich und kratzte schnell den letzten Rest Kaviar vom Teller.
»Kannst du nachher machen«, bestimmte Katjuschka, »erst musst du probieren Piroschki!« Sie hielt mir Teigtaschen vor die Nase. »Sind mit Fleisch.« Die Taschen waren saftig und knusprig zugleich und ich aà gleich zwei Stück davon. »Und jetzt musst du usbekische Delikatesse Plov essen! Hat mein Freund Maksim aus Taschkent gekocht! Wenn man das nicht gegessen hat, weià man nichts von Welt!«, sagte Katjuschka und strahlte mich an.
»Okay«, sagte ich. »Dann muss ich wohl mal Plov probieren.«
»Schön, dass Irina hat solche Freundinnen«, sagte Katjuschka und tätschelte freundschaftlich meine Schulter und stellte mir einen Suppenteller mit einer Mannschaftsportion Fleischeintopf hin. »Guten Appetit«, sagte sie.
»Mmhh«, machte ich ehrlich überrascht. Dieser Eintopf war wie eine warme, wohlige Umarmung.
Weitere Kostenlose Bücher