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Gefaehrliche Gefuehle

Gefaehrliche Gefuehle

Titel: Gefaehrliche Gefuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Dietz
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Dienst«, sagte Silvy und unterdrückte ein Prusten. »Ich erwarte, dass du deinen Teil der Abmachung erfüllst.« Die drei konnten sich kaum noch halten.
    »Wollt ihr mir sagen, was daran so lustig ist?«, fragte ich.
    »Das wirst du schon selbst merken«, kicherte Lola.
    »Niemals hältst du es auch nur fünf Minuten darin aus«, sagte Silvy.
    »Entweder du haust selbst ab oder das Monster drückt den Notruf«, bekräftigte Marie.
    »Ihr seid so dumm«, sagte ich mitleidig. »Als ob es nach euch dreien noch irgendetwas gäbe, was mich abschrecken könnte«, behauptete ich, drehte mich auf dem Absatz um und steuerte Zimmer 2.3 an.

19
    I ch hatte natürlich nur so cool getan. In Wirklichkeit war ich nervös. Mit Krankenhäusern hatte ich bisher – zu meinem großen Glück – wenig Erfahrung. Aber dass es in einem Krankenhaus kranke Leute gab und manche von ihnen auch nie wieder gesund werden würden, das wusste ich natürlich. Und ich hatte keine Ahnung, wie ich damit umgehen würde. In diesem besonderen Fall in 2.3 schien es ja so schlimm zu sein, dass sie sogar glaubten, ich würde sofort Reißaus nehmen. Ich stieg in den zweiten Stock hoch und tat so, als ob ich Silvy, Lola und Marie, die mir in sicherem Abstand folgten, gar nicht bemerken würde. In der Mitte des Ganges auf der linken Seite lag Zimmer 2.3. Wer da wohl drin war? Eine Schwester kam mir entgegen und sah mich unschlüssig vor der Tür stehen.
    »Sind Sie hier im Einsatz?«, fragte sie.
    Ich nickte.
    »Nehmen Sie das hier für mich mit rein, okay?« Sie drückte mir ein Tablett mit einer Flasche Wasser und einem Glas in die Hand, drehte sich um und war schon weg, sichtlich erleichtert. Die taten ja so, als ob ein menschenfressender Zombie darin wäre.
    Ich klopfte, atmete tief ein und öffnete die Tür. Die Szenerie, die sich mir bot, erstaunte mich. Auf dem Bett lag ein ziemlich normal aussehendes Mädchen, vielleicht zwölf, Tablet-Computer in der Hand, Kopfhörer auf. Sie war blass und schmal, hatte aber weder Verbände noch Schläuche in ihrem Körper stecken noch sonst irgendein sichtbares Zeichen von Krankheit an sich. Rötliche glatte lange Haare, in der Mitte gescheitelt, könnten mal eine Wäsche gebrauchen, ausgefallene Haarspange an der rechten Schläfe, schwarze Hornbrille, schmales Gesicht, spitzes Kinn. Meine erste Einschätzung war: Typ Klarinettenspielerin, etwas verkopft, fleißig, aber nicht zu streberhaft. Sie trug ein braunes Sweatshirt und eine blaue Jogginghose, und gerade als ich diese suboptimale Farbkombi betrachtete, fiel mir auf, was an dem Mädchen nicht stimmte: Ihr rechter Unterschenkel fehlte. Das Bein endete oberhalb vom Knie. Neben ihrem Bett auf einem Stuhl: die Mutter. Sie sprang auf, als sie mich sah. Sie war sehr schlank, eher knochig, ziemlich groß, hatte aschblonde Haare und wirkte erschöpft.
    »Hallo«, sagte sie und reichte mir die Hand. »Schön, dass Sie da sind.« Sie wandte sich an ihre Tochter. »Ich gehe dann mal«, sagte sie mit erstickter Stimme. »Bin gleich wieder da, Becky.«
    »Du kannst dahin gehen, wo die Schlangen auf den Pfefferbäumen wachsen«, sagte Rebecca, ohne den Blick von ihrem Computer zu heben. Die Mutter seufzte, nahm ihre Handtasche und verließ das Zimmer. Unschlüssig stand ich vor ihr. Das sollte das Monster sein? Der Schrecken des Krankenhauses?
    »Hi«, sagte ich. »Ich bin Natascha.«
    Keine Reaktion.
    »Ich stell das mal da hin, okay?«
    Keine Reaktion.
    Ich stellte das Tablett auf den Beistelltisch neben ihrem Bett und schenkte das Glas voll Wasser.
    Keine Reaktion.
    »Was hörst du denn da?«, fragte ich und zeigte auf den Computer. Statt einer Antwort ließ Rebecca ein knappes Kommando verlauten. »Glas!«, befahl sie und machte eine fordernde Bewegung mit den Fingern. Widerstand regte sich in mir. Sie hätte sich nur vorbeugen müssen, um an das Wasser zu kommen.
    »Nö«, sagte ich. »Erstens heißt es: Gib mir bitte mal das Glas. Und zweitens kommst du da selbst dran.«
    Ich schaute auf die Uhr. Das konnten ja heitere anderthalb Stunden werden. Sie blickte zum ersten Mal auf. Fixierte mich mit braunen Augen. »Glas«, wiederholte sie.
    »Nö.«
    »Glas.«
    »Nein.« Das Spiel kannte ich.
    Hatte ich gedacht.
    Doch Rebecca spielte es nach anderen Regeln, wie mir schnell klar wurde. Sie öffnete den Mund nur ein bisschen und ließ eine Maschinengewehrsalve ertönen. »Glasglasglasglasglasglasglasglasglasglasglasglasglasglasglasglasglasglas …« Sie wiederholte das

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