Gefaehrliche Gefuehle
sieht im Moment schlecht aus«, sagte ich. »Aber wenn der Klimawandel gestoppt ist, hätte ich sicher wieder einen Termin frei.«
Sie sagte trocken: »Ich an deiner Stelle würde früher wiederkommen.«
»Und wieso sollte ich das tun?«
Sie zeigte mir das Display ihres Tablet-Computers und ich sah etwas, was mir sehr bekannt vorkam. »Weil ich mir gerade ein paar deiner süßen Fotos geschickt habe. Ist das Enzo?«
»Waass?« Ich checkte den Fotoordner auf meinem iPhone. Alle Fotos mit Enzo waren gelöscht. »Du erpresst mich?«, fragte ich entsetzt.
»Sagen wir mal so. Ich motiviere dich zum Wiederkommen«, feixte sie.
»Wenn du mich nett gefragt hättest, hätte das vielleicht auch gereicht«, gab ich fassungslos zurück. »Hast du daran mal gedacht?«
»Interessante Option.« Sie machte eine kurze Pause. Dann sagte sie: »Gefällt mir aber nicht. Erpressung ist sicherer.«
Jetzt hatte ich aber wirklich die Nase voll von diesem selbstgerechten, hasserfüllten und total irren Mädchen.
»Weißt du, was? Behalt die Bilder. Und leck mich.« Ich wandte mich ab.
»Na, na, na«, tadelte sie mich. »So was sagt aber man nicht zu einem Mädchen mit halbem Bein.«
»Du bist aber eine Mistkröte mit einem halben Bein.« Ich ging zur Tür. Ich würde mich von ihr doch nicht erpressen lassen. Ein fehlendes Bein war keine Entschuldigung, um alle zu schikanieren. Und doch. Natürlich tat sie mir leid. Und ich ahnte, dass sie sich vielleicht im Moment nicht anders zu helfen wusste. Ich würde ihr eine Chance geben. Ich legte die Hand auf der Klinke. Wartete, ob sie mich vielleicht doch nett fragte. Aber nichts da. Umso besser. Dann musste ich dieses Biest wenigstens nicht noch mal besuchen. Ich holte meinen Mantel aus dem Feenzimmer, wo Silvy, Lola und Marie um einen Tisch herumsaßen und Tee tranken. Als ich hereinkam, starrten sie mich neugierig an.
»Was ist?«, blaffte ich sie an und zog meinen hässlichen Kittel aus. »Es war sehr nett bei Becky, damit ihr es wisst. Und jetzt habe ich meinen Teil der Abmachung erfüllt und freue mich darauf, ganz offiziell sagen zu dürfen: Auf Nimmerwiedersehen!«
Ich nahm meinen Desigual-Mantel, und noch bevor mir eine von den Schnepfen dumm kommen konnte, war ich abgerauscht. Dieses Kapitel war beendet. Jetzt würde ich die nächste Baustelle in meinem Leben in Angriff nehmen und die Tasche loswerden.
20
H edi wartete neben einer Säule. Von dieser Position aus konnte sie das ganze Foyer des Krankenhauses überblicken. Als ich an ihr vorbeikam, nickte ich ihr zu. »So, hier bin ich fertig. Jetzt fahren wir zur Winterkirmes am Park.«
»Winterkirmes?«, fragte sie überrascht. »Ungünstig. Viele Menschen auf engem Raum. Sehr unübersichtliche Situation.«
»Hedi«, sagte ich. »Ich treffe nur einen Bekannten, dem ich was geben muss.«
»Treffpunkt?«
»Vor dem Eingang.«
»Sie gehen nicht auf den Markt selbst?«
»Nein.« Mit Enzo wäre es ein romantischer Ausflug gewesen. Enzo, dachte ich sehnsuchtsvoll. Es wäre toll, wenn er mitgekommen wäre. Aber er musste sich ja um Signorita Cantuccini kümmern. Sollte er doch. Wenn mich der Russe erwischte, würde er schon sehen, was er davon hatte, wenn er ihre Probleme für wichtiger hielt als meine. Phhh!
»Gut«, sagte Hedi, nachdem sie im Geiste die Gefahren der Örtlichkeit überschlagen hatte. »Dann gebe ich mein Okay.«
»Danke, liebe Hedi«, sagte ich bissig, aber mein Sarkasmus prallte an ihr ab. Sie nahm nickend meinen Dank an, öffnete die Autotür und ließ mich einsteigen.
»Wir müssen vorher noch kurz zu Hause vorbei«, informierte ich sie. Die Tasche war noch in unserer Garage. Ich hatte sie nicht den ganzen Tag im Kofferraum liegen lassen wollen, man wusste ja nie, ob den nicht mal einer aufbrach. Oder jemand das Auto klaute. Und ich würde nichts riskieren, was die Übergabe gefährden könnte.
Es war schon dunkel, als wir an dem kleinen Park ankamen, in dem jedes Jahr die große Winterkirmes stattfand. Unzählige Lichterketten hingen in den kahlen Bäumen über den Buden. Als Kinder hatten wir die Kirmes geliebt. Wir hatten die ganze Zeit Süßkram gegessen und waren dann alle Riesenrad gefahren. Irgendwann hatte Basti keine Lust mehr gehabt, mit uns zu gehen, und mein Vater musste immer öfter auch am Wochenende arbeiten und so hörten unsere Kirmes-Familienausflüge irgendwann auf. Beim Anblick der Lichter gab es mir heute einen Stich, dass ich nicht mit Enzo hier war. Aber wenn ich erst die Tasche
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