Gefaehrliche Gefuehle
Augenringen. Sein Gesicht leuchtete bleich unter den Geheimratsecken in seinem braunen Haar, die breite Nase warf einen unheimlichen Schatten. Er hätte sehr überzeugend den Nosferatu geben können.
»Also, was ist los?« Das Leder seiner Jacke quietschte, als er eine Handbewegung in Richtung des toten Philipp machte. Die Sanitäter hatten die Herzmassage aufgegeben. Der Notarzt telefonierte, die beiden Beamten besprachen sich am Streifenwagen. »Wieso finde ich eine Leiche – und Sie sind auch schon wieder da?«, fragte Söderberg.
»Also, nur mal fürs Protokoll«, sagte ich. »Ich habe die Leiche gefunden …«
Er sah mich durchdringend an. Seine kleinen Augen funkelten mich aus der Tiefe ihrer Höhlen an. Ich biss mir auf die Lippen und redete schnell weiter: »Aber das war totaler Zufall. Das Auto war mir aufgefallen, weil es im Halteverbot stand und …«
»Kennen Sie den Mann?«
»Ob ich den Mann kenne?«, fragte ich dämlich zurück. »Was heißt schon kennen? Ich habe auch geglaubt, ich würde meinen Freund kennen, und dann kommt er mir auf einmal mit seiner …« Schnauze, Sander, konzentrier dich, bevor du dich um Kopf und Kragen redest. »Auf jeden Fall habe ich ihn schon mal gesehen«, schloss ich.
»Auch mit ihm gesprochen?«
»Ja, das auch.«
Er beobachtete mich misstrauisch. Kniff seinen Mund zusammen. Schüttelte den Kopf. »Meine Güte, Peel, was ist mit Ihnen los? Sonst sprudeln Sie wie ein Wasserfall, aber heute muss man Ihnen ja alle Würmer einzeln aus der Nase ziehen. Kommen Sie, erzählen Sie dem Onkel alles.« Er brachte den Versuch eines Lächelns zustande. Würg. Er sollte bloß nicht denken, dass ich darauf reinfiel, wenn er einen auf guter Bulle machte. Ich starrte ihn herausfordernd an. Söderberg seufzte. »Und darf man fragen, in welchem Zusammenhang Sie den Toten schon mal gesprochen haben?«, leierte er herunter.
»In einem Partyzusammenhang. Wir haben uns mal auf einer Party gesehen.«
»Ah ja. Das hätte ich mir ja denken können«, brummte er. »Also kannten Sie ihn.«
»Wenn Sie so wollen, ja.« Ich ließ resigniert die Hände sinken. »Er hieß Philipp. Nachname weiß ich nicht. Er hat VWL studiert. Glaube ich wenigstens.«
»Und was machen Sie heute hier, wo Philipps Leben so abrupt geendet hat?«
»Äh. Shoppen.« Ich schwenkte die Tasche. »Mädchenkram. Sie wissen schon.«
Der Kommissar verdrehte die Augen und ging zu dem Notarzt, der gerade sein Telefonat mit einem »Vielen Dank für die Informationen« beendete.
»Söderberg. Mordkommission«, stellte Söderberg sich vor. Die Polizistin kam auch dazu. »Und?«
»War leider nichts mehr zu machen.« Der Notarzt zuckte mit den Schultern. »Nach fünfzehn Minuten haben die Kollegen die Wiederbelebungsversuche eingestellt.«
»Todesursache?«, fragte Söderberg.
»Vermutlich Herzversagen«, sagte der Notarzt.
»Keine Anzeichen von Gewalteinwirkung?« Söderberg wirkte überrascht.
»Nein. Auf den ersten Blick nicht.« Der Notarzt schüttelte den Kopf. »Ich habe gerade mit dem behandelnden Hausarzt gesprochen. Der junge Mann hier war schon zweimal im Drogenentzug gewesen, einmal mit sechzehn, einmal mit zwanzig. Beides hatte nichts gebracht. Dazu kam ein angeborener Herzfehler.«
»Das klingt ja wie eine natürliche Todesursache«, schaltete sich die Polizistin ein. Sie klang erleichtert.
Der Notarzt zuckte wieder mit den Schultern. »Vermutlich.«
Söderberg beugte sich über den Toten und betrachtete seine Hände, die Handgelenke und den Hals. »Umdrehen bitte.«
Die Sanitäter hoben Philipp an der Seite an, sodass Söderberg den Rücken sehen konnte.
»Peel«, rief Söderberg, richtete sich auf und wandte sich an mich. »Wie kommen Sie darauf, dass es sich um einen Mord handelt?«
»Äh.« Für mich war ja sonnenklar, dass Philipp, der der Russenmafia einen Haufen Geld schuldete, ermordet worden sein musste, aber das konnte ich Söderberg schlecht erzählen, ohne Bastian mit reinzuziehen. »Na ja. Er ist so jung und … sein Gesichtsausdruck wirkt so überrascht und … und als ich ihn auf dieser Party gesehen hatte, da war er ganz komisch, als ob er auf Drogen wäre.«
Söderberg stöhnte und massierte sich die Schläfen. »Jaja, weiter, wissen wir schon.«
»Ich glaube auch, dass er mit ganz finsteren Gestalten was zu tun hatte«, bekräftigte ich. »Und deswegen war für mich gleich klar, dass er ermordet worden sein muss.«
»Emma Peel«, begann der Kommissar. »Sie schaffen es immer
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