Gefaehrliche Gefuehle
Plötzlich sah ich Justus’ Mutter mit einem Mädchen langsam über den Weg vor unserem Fenster spazieren. Sie unterhielten sich. Das Mädchen hatte lange schwarze Haare und erinnerte mich an irgendwen. Die feinen Gesichtszüge kamen mir bekannt vor.
»Wer ist das?«, fragte ich Rebecca.
Sie schaute hoch. »Ach die«, sagte sie. »Das ist eine von den Bekloppten. Aus der Irrenabteilung. Ich glaube, sie heißt Aziza.«
Wie bitte?
Aziza. War. Hier???
Ich folgte Nicole und Aziza mit dem Blick. Aziza hatte die gleichen feinen Gesichtszüge wie ihre Mutter.
»Wie lange ist sie schon da?«, fragte ich.
»Keine Ahnung. Was interessiert es dich? Wenn es dich noch nicht mal interessiert, deine exBF fertigzumachen.« Rebecca klang müde. Aber ich war hellwach.
»Kann ich noch was für dich tun?«, fragte ich aufgeregt, aber Rebecca antwortete nicht. Sie lag klein und schmal auf ihrem Bett.
»Ich komme wieder, okay?«, sagte ich. Und da sie nichts sagte, wiederholte ich mein Spiel vom Anfang. »Tschüss, Natascha. Danke für deinen Besuch. Gern geschehen. Tschüss, Rebecca.«
»Becky«, sagte sie leise. »Du kannst mich Becky nennen.« »Okay. Also dann, Tschüss, Becky.«
Ich eilte hinaus. Hedi sprang von ihrem Wartestuhl im Foyer auf, aber ich sagte ihr, dass ich noch etwas zu erledigen hätte. Am Empfang fragte ich, wo ich Dr. Nicole Marquardt finden könnte. Die nette Dame rief sie an und sagte mir, dass ich in ihr Sprechzimmer im zweiten Stock gehen sollte.
Wir trafen uns vor der Tür.
»Natascha«, rief Nicole erfreut. »Schon wieder hier? Was macht deine kleine Freundin Rebecca?«
»Na ja«, sagte ich. »Ich weiß es ehrlich gesagt nicht.«
»Ist schwierig, was?«
»Ja. Weißt du, wie sie ihr Bein verloren hat?«
»Soweit ich weiß, war es ein Unfall«, sagte sie und schaute auf die Uhr. Das erinnerte mich daran, dass ich wegen was anderem hier war. »Hast du ein paar Minuten Zeit, Nicole?«
Sie nickte. »Ein paar Minuten. Komm rein.« Sie schloss ihr Sprechzimmer auf. Ich kam direkt zur Sache. »Nicole, ich habe dich eben mit diesem Mädchen gesehen.«
»Im Park?«
Ich nickte und kam direkt zur Sache. »Aziza ist Bastians Freundin. Ich habe nach ihr gesucht. Was macht sie hier?«
Nicole seufzte, schloss die Tür ihres Büros und sagte: »Du musst mir versprechen, es niemandem zu erzählen, okay?«
»Ich weiß vermutlich mehr, als du denkst«, sagte ich. »Sie lässt sich wegen ihrer Medikamentensucht behandeln, nicht wahr?«
Nicole nickte.
»Basti war erst mit ihr in Spanien, aber der Entzug auf eigene Faust hat nicht geklappt.«
»Ja, Bastian hat mich angerufen. Ich habe ihm geraten, sie so schnell wie möglich in ärztliche Behandlung zu bringen. Und da hat er gefragt, ob ich ihm dabei helfen könnte. Er hat mir gesagt, dass sie in großen Schwierigkeiten steckt und niemand wissen dürfe, dass sie hier sei. Und weil die Leiterin der Psychosomatischen Abteilung meine Freundin ist, hat sie Aziza inoffiziell aufgenommen.«
»Wie geht es ihr denn jetzt?«
»Besser«, sagte Nicole. »Aber mehr darf ich dir leider nicht sagen.«
»Weißt du, wo Basti steckt?«
»Ist er nicht zu Hause?«, fragte sie überrascht.
»Nein. Hat er sie hier besucht?«
»Ich habe ihn nicht gesehen. Und …« Sie seufzte und machte eine Pause.
»Was?«
»Das kann ich dir ja erzählen, das fällt nicht unter die Schweigepflicht. Sie sind nicht mehr zusammen. Aziza hat mit Bastian Schluss gemacht.«
»Warum?«
»Das kann ich dir nicht sagen, weil ich es nicht weiß. Aber es ist nicht ungewöhnlich, wenn man nach einer therapeutischen Behandlung neue Wege sucht.«
»Weiß ihre Familie, wo sie ist?«, fragte ich.
»Aziza wollte mit ihrer Familie Kontakt aufnehmen, sobald sie wieder in stabiler Verfassung ist«, sagte Nicole. »Und denk dran, Natascha. Ich habe ihr mein Wort gegeben, dass niemand erfährt, wo sie ist.«
»Keine Sorge«, beteuerte ich. »Von mir erfährt keiner was.« Denn ich wusste vielleicht als Einzige, wie gefährlich es für Aziza werden könnte, wenn herauskam, wo sie sich versteckte.
27
D ieser Samstagmorgen begann gemütlich. Noch im Bett telefonierte ich mit meinem Freund. (Hach! Wie gut das klang.) Sein Besuch im Boxgym wäre sehr interessant gewesen, sagte Enzo. Als er nach Dimitri gefragt hätte, hätte man ihm gesagt, er solle am Sonntag wiederkommen. »Mehr haben sie nicht gesagt? Kannten sie ihn? Wussten sie, von wem du redest? Sind die alle im illegalen Medikamentenhandel
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