Gefährliche Glut
begann zu weinen. Das klägliche Geschrei ging Julie zu Herzen. Der Kleine fror, außerdem war er wahrscheinlich hungrig.
Rocco Leopardi hatte Josh immer noch auf dem Arm. Er wandte sich von Julie ab und ging auf das Flugzeug zu. Mit raubtierhafter Geschmeidigkeit erklomm er die Gangway, wobei er immer zwei Stufen auf einmal nahm. Julie gelang es kaum, Schritt zu halten.
Falls der uniformierte Steward überrascht war von ihrem Auftauchen oder davon, dass sein Boss ein schreiendes Bündel im Arm hielt, so ließ er es sich zumindest nicht anmerken. Er nahm Julie den Mantel ab und erkundigte sich höflich nach ihren Getränkewünschen.
„Ich würde vorschlagen, nichts Alkoholisches, sondern lieber etwas Heißes, Russell“, mischte sich Rocco Leopardi ein. Seine Bevormundung weckte prompt Julies Trotz. Am liebsten hätte sie beim Steward ein Glas Champagner bestellt, obwohl sie normalerweise kaum Alkohol trank.
Aber sie lächelte den Mann nur unsicher an und fragte verlegen: „Kann ich vielleicht irgendwo für Josh eine Flasche warm machen?“
„Selbstverständlich. In der Küche steht eine Auswahl Babynahrung, suchen Sie sich einfach etwas aus, und Kindersachen zum Wechseln finden Sie in der Schlafkabine.“
„Kein Wunder, dass er so blass und dünn ist, wenn Sie ihn nicht stillen.“
Diese Kritik äußerte Rocco erst, nachdem der Steward mit der Flasche verschwunden war, die Julie aus der Windeltasche gekramt hatte. Jetzt drehte sie sich zu ihm um. Sie spürte, wie sie erst rot, dann blass wurde, während sie verzweifelt nach einer Antwort suchte, mit der sie ihn auf seinen Platz verweisen und gleichzeitig deutlich machen konnte, dass sie ihre Mutterpflichten ernst nahm.
„Josh ist in der Kita, weil ich arbeiten muss“, verteidigte sie sich und hoffte, dass er jetzt nicht fragte, wozu eigentlich Muttermilchpumpen da waren.
Ohne auf ihre Erwiderung einzugehen, sagte er: „Sie finden alles, was Sie brauchen, in der Schlafkabine, wie Russell bereits sagte. Der Flug dauert drei Stunden, Sie können sich also ruhig ein bisschen hinlegen, wenn Sie möchten.“ Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: „Und nur keine Sorge, ich pflege mich normalerweise nicht an den ausrangierten Geliebten meines toten Halbbruders zu vergreifen.“
Warum glaubte er, sie verletzen zu müssen? Julie lag bereits eine scharfe Erwiderung auf der Zunge, da fiel ihr ein, dass er sie ja für ihre Schwester hielt. Deshalb zog sie es vor, zu schweigen.
Der Steward war wieder da. „Wir starten gleich“, informierte er sie. „Wenn Sie bitte mitkommen möchten, dann zeige ich Ihnen die Schlafkabine.“
Julie folgte ihm bereitwillig. James hatte irgendwann einmal behauptet, dass genau dies ihr Problem wäre. Ihre Fügsamkeit. Womit er wahrscheinlich hatte sagen wollen, dass sie im Vergleich zu Judy schrecklich langweilig war.
Dafür war sie noch am Leben, während Judy, James und ihre Eltern tot waren, wie Julie sich jetzt erinnerte. Und das nur, weil ihre Schwester es sich in den Kopf gesetzt hatte, unbedingt auf einem Schloss zu heiraten.
Was der Steward in bestem Understatement als „Schlafkabine“ bezeichnet hatte, war in Wahrheit das luxuriöseste Schlafzimmer, das Julie je gesehen hatte.
Auf dem Boden lag ein cremefarbener dicker Teppich, und die Tapeten waren ebenfalls cremefarben. Das Doppelbett war eine riesige Spielwiese, die fast ein Drittel des Raums beanspruchte.
„Hier können Sie das Bett verstellen“, erklärte der Steward, auf eine Konsole deutend. „Zum Lesen oder zum Fernsehen machen Sie es am besten so.“ Er demonstrierte ihr, wie man mit der Fernbedienung das Kopfteil hochstellte, wodurch sich das Bett in einen riesigen Sessel verwandelte. Als er auf einen anderen Knopf drückte, gab ein Schrank einen großen Flachbildschirm frei.
„Das Kinderbett haben wir extra hier aufgestellt“, fügte er hinzu. „Neben dem Sitz, in dem Sie sich beim Start und bei der Landung anschnallen müssen. Er kommt da aus der Wand … so.“ Er zeigte es ihr. „Bad und Ankleidezimmer sind hinter dieser Tür. Da sind auch die Sachen für Sie und das Baby. In einer halben Stunde serviere ich das Abendessen.“
Julie hätte gern erwidert, dass sie lieber allein und möglichst weit entfernt von Rocco Leopardi essen würde, aber sie sagte nichts, weil sie dem Mann nicht noch zusätzliche Arbeit machen wollte.
Über der Tür begann eine Lampe zu blinken.
„Wir starten gleich“, sagte der Steward.
Zwei Minuten später war
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