Gefährliche Ideen
Etikett für alles betrachtet, was in ihren Augen vielleicht progressiv sein könnte. Anstatt Kreativität ernst zunehmen und sie als einen sowohl schöpferischen als auch zerstörerischen Prozess zu begreifen, hatten sie angenommen, dass es dabei allein um die hübschen Bildchen in den Büchern über Kreativität ginge.
Wenn ich also frage: »Warum überhaupt Kreativität, und wenn ja, welche?«, dann möchte ich damit nicht nur provozieren, sondern die Menschen auch zum Nachdenken darüber bewegen, was sie mit der Aussage »Ich möchte kreativer werden« genau meinen. Was erhoffen
Sie
sich von diesem Prozess? Vermutlich so etwas wie »gute Ideen«. Doch wer Kreativität ernst nehmen will, muss begreifen, dass zu diesem Prozess auch Reibung, Widerstand und Zerstörung gehören. Jede gute Idee sät Zerstörung, das macht sie ja gerade so überzeugend. Wir ignorieren diese Aspekte der Kreativität gerne oder scheuen vor ihnen zurück, doch das bedeutet nicht, dass sie nicht existieren. Vielmehr könnten diese Aspekte genau das sein, worauf wir uns konzentrieren sollten.
Verpasste Gelegenheiten
Wichtig ist zudem die Frage, über welche Art von Kreativität wir überhaupt sprechen. Es kann doch nicht nur um das gehen, was wir zufällig derzeit als gut oder wünschenswert betrachten – jedenfalls nicht, wenn wir den Anspruch haben, objektiv und offen an die Sache heranzugehen. Die meisten – wenn nicht sogar alle – wirklich kreativen Ideen wurden zunächst mit Skepsis und Furcht aufgenommen. Warum sollte das heute anders sein? Als das Internet erfunden wurde, hielten es die meisten Menschen keineswegs für einen kreativen Einfall, sondern sahen darin vielmehr eine Geldverschwendung, ein albernes Spielzeug, eine fixe Idee, die nur etwas für eklige Computerfreaks sei, und so weiter.Und die Leute, die so dachten, waren keineswegs Idioten, sondern Menschen wie Sie und ich; Menschen, die kreativ und innovativ sein wollten. Das Internet bot ihnen nur nicht das, wonach sie suchten: etwas, das ihren Vorstellungen vom Guten und Schönen entgegenkäme. Stattdessen sahen sie nur etwas Albernes, das ihren Empfindungen nicht entsprach. Was lernen wir daraus? Wenn wir immer nur eine uns gefällige Vorstellung von Kreativität anstreben, und immer nur an das denken, was wir uns hier und heute wünschen, ignorieren wir das tatsächliche Potenzial neuer Ideen und werden dabei sogar weniger kreativ!
Wie können wir kreativer über Kreativität nachdenken?
Mit anderen und präziseren Worten: Wir müssen den Kern unserer kreativen Bemühungen überdenken. Wer kreativer werden will, muss die viel grundlegendere Frage stellen:
Wie können wir kreativer über Kreativität nachdenken?
Und es kann durchaus sein, dass Sie sich dabei von einigen Ihrer liebsten Überzeugungen hinsichtlich des Kreativprozesses verabschieden müssen.
Kapitel 3
Der Kreativitätsschwindel
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Was mich an vielen Diskussionen über Kreativität am meisten ärgert, ist die ganze Zuckerwatte, in die alles gepackt wird. Aufgeplustert, fluffig, mit einem süßen (wenn auch leicht Übelkeit erregenden) Geschmack, und wer ein wenig darin herumstochert, stellt rasch fest, dass sich hinter dem hübschen rosafarbenen Zeug nur wenig Substanz verbirgt. Dennoch fällt es einem schwer, Zuckerwatte nicht zu mögen. Viele kaufen sie beinahe automatisch bei jedem Besuch auf der Kirmes oder im Vergnügungspark. Das gehört ganz einfach zu den Erfahrungen, die man gern wiederholt. Zuckerwatte ist Futter für die Seele, und Kreativitätsgerede ebenso. Manchmal frage ich mich allerdings, ob das nicht wirklich schon alles ist: eine nette Erfahrung ohne Tiefgang. Diskussionen über Kreativität fühlen sich oft an wie eine mittels jeder Menge heißer Luft übertrieben aufgeblasene Idee. Die Leute, die voller Enthusiasmus über Kreativität sprechen, sind sehr wahrscheinlich wirklich aufgeregt und glauben hundertprozentig an das, was sie da sagen. Doch gleichzeitig strotzen die meisten Diskussionen nur so vor leeren Klischees, Gefasel, Bockmist und nahezu purer Schaumschlägerei. Wenn wir etwas über echte Kreativität lernen möchten, müssen wir über die üblichen Diskussionen hinausblicken.
Wie bereits festgestellt, ist unser Gehirn ein träges Organ. Besonders anfällig ist es dafür, alles bereits Bekannte unkritisch zu akzeptieren, und nur allzu gerne fällt es immer wieder auf einund denselben Schwindel herein. Ganz gleich ob es sich um alte Kamellen über
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