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Gefährliche Ideen

Gefährliche Ideen

Titel: Gefährliche Ideen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alf Rehn
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erzähle ich bisweilen eine Geschichte über das wahnwitzigste Innovationsprojekt, das ich je gesehenhabe. Ein größerer europäischer Konzern verpflichtete mich als Referenten anlässlich seiner jährlichen Konferenz für Topmanager, einer Veranstaltung, auf der die Endergebnisse eines sehr teuren Innovationsprojekts vorgestellt wurden. Das Projekt zielte darauf ab, die Geschäftsphilosophie des Unternehmens innovativer und kreativer zu machen, und war das aktuelle Lieblingsprojekt des CEO.
    Der CEO hielt selbst die Präsentation und berichtete stolz von all den wunderbaren Dingen, die die Unternehmensleitung getan hatte. Dabei betonte er besonders die Reisen zu »führenden innovativen Unternehmen«, von denen man »bewährte Praktiken« erlernen wollte. Tatsächlich sagte er, dass man nicht nur Apple besucht habe, sondern Google
ebenfalls
! Danach war ich an der Reihe, das Podium zu erklimmen. Ich tat dies und bemerkte zunächst mit sanfter Stimme, dass Innovation ein wirklich seltsames und wunderbares Ding sei. Manchmal bedeute es, etwas zu versuchen, was andere unterließen. Hier scheine es aber zu bedeuten, dass man versuche, dieselben Unternehmen zu imitieren, die auch alle anderen imitierten … Nun, ich wurde nie wieder eingeladen.
     
    In diesem wundersamen Kreativitätsbetrieb gibt es unzählige Illusionen und viele Möglichkeiten, sich selbst zu betrügen, auch wenn man die allerbesten Absichten hat. Aber warum geschieht dies?

Kapitel 4
Querdenken über das Querdenken

    [Bild vergrößern]
    Heutzutage wird über Kreativität so viel und so oft diskutiert, dass sich kaum jemand die Mühe macht, das Konzept zu definieren. Zu eindeutig scheint, was der Begriff bedeutet – und wer dennoch Fragen stellt, kann sich an Tausende von Menschen wenden, die gerne bereit sind, unablässig davon zu reden und mit Erläuterungen geradezu um sich zu werfen. Bis zu einem gewissen Grad scheinen Definitionen daher überflüssig. Doch wer etwas genauer hinschaut, stellt fest, dass Kreativität ein seltsames Ding ist, das sich nur schwer definieren lässt. Ihr haftet etwas Paradoxes und Flüchtiges an, wodurch sie sich einer genauen Beschreibung entzieht – auch wenn wir das Gefühl haben, alles sei völlig natürlich und offensichtlich.
    Kreativität wird definiert als geistiger Prozess, mithilfe dessen neue Ideen entstehen, oder genauer: als Prozess, der eine Veränderung in Gang setzt und mit älteren Bezugssystemen bricht.
    Wenn wir uns der Kreativität analytisch zu nähern versuchen, stoßen wir sehr bald auf logische Widersprüche. Beginnen wir mit einer der typischen Definitionen: Kreativität wird demnach definiert als geistiger Prozess, mithilfe dessen neue Ideen entstehen, oder genauer: als Prozess, der eine Veränderung in Gang setzt und mit älteren Bezugssystemen bricht. Kreativität handelt also davon, einen bestehenden Zustand aufzubrechen und gleichzeitig etwas zu erschaffen, das bislang nicht existierte. Natürlich gibt es noch weitere Definitionenoder auch Variationen der oben genannten, aber viele Leute scheinen einer derartigen Definition zuzustimmen.
    Doch hier lauern Gefahren. Denn wenn diese Definition zutrifft, sollte dann für die Kreativität selbst nicht ein ähnliches Prinzip gelten? Wenn Kreativität davon handelt, althergebrachte Denkweisen und Bezugssysteme abzulösen, die uns helfen, Dinge zu verstehen, sollte daraus dann nicht folgen, dass der Kreativitätsprozess auch mit der Entwicklung neuer Sichtweisen auf Kreativität zu tun hat, die sich radikal von allen früheren unterscheiden? Und womöglich sogar das genaue Gegenteil unserer derzeitigen Vorstellungen über Kreativität bilden? Warum sollte Kreativität das Einzige sein, das wir nicht kritisch hinterfragen können?
    Diese Frage wird nur von sehr wenigen Mitgliedern jener Gruppe von Menschen geschätzt, die über Kreativität sprechen, denn sie verwirft die selbsterklärenden Diskussionen und Übungen und führt uns stattdessen auf seltsames und ungemütliches Gelände. Um hier kreativ zu sein, muss man sich von einem Großteil der selbstzufriedenen Prahlerei verabschieden, welche die Kreativitäts-Propagandisten verbreiten, und sich einer Situation stellen, die weitaus mehr Kritikfähigkeit erfordert – und dies ist sehr viel schwieriger, als einfach die alte Leier zu wiederholen, dass man querdenken sollte. In diesem Szenario müssen wir unsere Grundannahmen überprüfen, und es fällt viel schwerer, weiterhin mit froher

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