Gefährliche Ideen
und stubenreinen Angelegenheit macht, sorgt für ihre todsichere Neutralisierung und nimmt ihr die meisten jener Eigenschaften, die sie zum Motor bedeutsamen Wandels machen. Kreativität ist heute zu einer Art Fahrstuhlmusik geworden, einer faden Kopie, die niemandem wehtut. Es war niemals vorgesehen, dass sie so angenehm oder nett sein sollte.
Böser Rock’n’Roll!
Ob Sie es glauben oder nicht: Mir gefällt auch heute noch die Musik der Sex Pistols. Mein Geständnis mag mich als Mann mittleren Alters entlarven, aber ich finde, es lohnt sich noch immer,das Album
Never Mind the Bollocks, Here’s the Sex Pistols
anzuhören. Es hat einfach irgendetwas. Die Musik kommt beständig rau daher und klingt immer noch aggressiv und unfreundlich. Wenn Johnny Rotten heult: »Don’t know what I want but / I know how to get it / I wanna destroy the passerby / ’Cos I-i-i wanna be-e – Anarchy!«, dann weiß man, dass es ihm völlig gleich ist, ob uns das gefällt oder nicht, und man würde vermuten, dass er Letzteres vorzieht. Die Sex Pistols standen für vieles, aber ganz sicher nicht für Nettigkeit.
Tatsächlich waren die Sex Pistols ein bewusst fabriziertes Produkt, das darauf abzielte, die Leute zu verärgern und zu schockieren, und im Verlauf ihrer Geschichte hat die Band stets versucht, so unliebsam wie nur möglich zu wirken. Dies lässt sich in hohem Maße auf den Bandmanager Malcolm McLaren zurückführen (der ein sehr unangenehmer Mann zu sein gewesen scheint und damit natürlich einer meiner Helden ist). McLaren erkannte, dass Angepasstheit keine gute langfristige Strategie wäre. Er war Wegbereiter einer Marketingstrategie, die darauf aufbaute, Dinge zu testen, den energischsten Widerstand aufzuspüren und diesen anschließend frontal anzugehen. Und, wenn irgend möglich, dabei jemandem ins Gesicht zu spucken.
In diesem Sinne sollten Sie sich fragen, ob die üblicherweise angenehmen und positiven Gefühle, welche den heutigen Kreativitätsdiskurs begleiten, wirklich vorteilhaft sind. Warum finden wir diesen so attraktiv, und wie beeinflusst dieser Reiz das Konzept? Und warum stellt fast niemand diese familienfreundliche, desinfizierte Form von Kreativität infrage?
Täglich finden weltweit Hunderte von Kreativitätsseminaren statt (die meisten davon in den westlichen Ländern, insbesondere in Europa und den USA). Die meisten, wenn nicht alle dieser Seminare sind von einem angenehmen, bequemen Miteinander gekennzeichnet, und selbst die schlechteren Veranstaltungenzeichnen sich eher durch Langeweile aus als dadurch, dass sich ein Teilnehmer auf den Schlips getreten fühlt. Mit der Ausnahme von Gottesdiensten ist das Kreativitätsseminar wohl der beste Ort, um eine erhebende Botschaft zu empfangen oder um sich in einer großen Menschengruppe gut aufgehoben zu fühlen.
Es stimmt: Das Gefühl, dass jeder kreativ sein kann und dass Kreativität ach so viel Spaß macht, ist angenehm. Ja, das warme, flauschige Gefühl stellt sich womöglich ein, wenn einem löffelweise lustige Ideen serviert und kleine Kreativitätstricks antrainiert werden. Doch ist dieses Gefühl produktiv? Fühlt sich echte Kreativarbeit so harmonisch, so
nett
an? Die Antwort lautet: Nein. Hilft es irgendjemandem? Auf einer psychologischen Ebene wäre dies möglich, doch vermutlich in weit geringerem Ausmaß, als die Leute vermuten. Das Risiko liegt jedoch darin, dass das nette Geplauder nur dazu dient, eine unproduktive Gewohnheit zu kaschieren. Mit dieser Art von Kreativität geht man nämlich anderen Diskussionen aus dem Weg: über jene Dinge nämlich, die nicht ganz so nett sind wie die faden und vakuumverpackten Glückspillen, die oft im Namen der Kreativität ausgeteilt werden.
Sprechen wir nicht darüber
Die Aufgabe von Kreativität besteht darin, Menschen dabei zu helfen, ihr Potenzial voll auszuschöpfen – doch dies lässt sich nicht erreichen, wenn man sich nur auf Dinge konzentriert, die einem nett, lustig oder passend erscheinen. Nein, Kreativität bedeutet vielmehr den Aufbruch zu neuen Ufern. Genauso wie man kein Spitzenathlet (oder auch nur körperlich fit) werden kann, wenn man nur dann trainiert, wenn es sich gut anfühlt, kann man das eigene Kreativpotenzial nicht erkunden, wenn man sich stets an das Leichte und Angenehme hält.
Die Aufgabe von Kreativität besteht darin, Menschen dabei zu helfen, ihr Potenzial voll auszuschöpfen – doch dies lässt sich nicht erreichen, wenn man sich nur auf solche Dinge konzentriert,
Weitere Kostenlose Bücher