Gefährliche Ideen
nicht auf verbotenes, unangemessenes Terrain begeben. Es liegt an Ihnen zu entscheiden, ob Sie die Kontrolle über Ihre gedanklichen Pfade übernehmen wollen oder die Zügel weiterhin Ihrem Über-Ich, Ihrem moralischen Gewissen, überlassen möchten.
Kapitel 9
Zum Teufel mit dem Erwachsensein
Anfangs lieben Kinder ihre Eltern; mit zunehmendem Alter
beurteilen sie sie; manchmal verzeihen sie ihnen.
Oscar Wilde
Jedes Kind ist ein Künstler. Die Frage lautet nur, wie es
einer bleiben kann, wenn es aufwächst.
Pablo Picasso
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Ganz gleich was man über Kinder denken mag: Besonders kultiviert sind sie nicht. Sie lieben es, sich über körperliche Ausscheidungen zu unterhalten, sie lachen über Pupse und finden nichts dabei, mit rotzverschmiertem Gesicht durch die Gegend zu laufen. Dies erklärt auch, warum sie innovativ, kreativ und neugierig sind. Als natürliche Punkrocker haben sie mit Konventionen nichts am Hut, und wenn irgendwo eine Möglichkeit besteht, Normen anzugreifen, legen sie eine fast beängstigende Fähigkeit an den Tag, diese Chance aufzuspüren. Jedermann weiß natürlich, dass Kinder kreativ sind, doch kaum jemand macht sich Gedanken darüber, warum genau das eigentlich so ist. Stattdessen neigen wir dazu, das Ganze zu romantisieren und die Anstrengungen von Kindern durch die rosarote Brille zu sehen. Doch die kindliche Kreativität ist nicht nur etwas Süßes und Entzückendes, sondern ein zügelloser, anarchischerImpuls, den wir später mit großem Energieaufwand in uns zu unterdrücken versuchen. Erstaunlich, aber wahr – und mit schädlichen Folgen für die Entfaltung von Kreativität.
Kinder sind egoistische, unkultivierte und habgierige kleine Kreaturen (und das gilt auch für meine eigenen beiden kleinen Sonnenscheine). Allerdings entschädigen sie dafür durch ihr mangelndes Schamgefühl und die entzückende Offenherzigkeit, mit der sie ihre Marotten an den Tag legen. Wenn ein Kind einen Keks haben möchte, dann kommt es einem nicht mit verschiedenen Ausreden der Art, dass es gestresst sei und sich entspannen wolle oder dass es ausprobieren wolle, wie der Keks wohl zusammen mit seinem Fruchtsaft schmecke. Stattdessen will es einfach nur den verdammten Keks haben. Wenn das Kind eine dumme Fernsehserie ohne jeden ästhetischen oder kulturellen Wert mag, hat es nicht den geringsten Anspruch, diese Vorliebe zu rechtfertigen. Kinder haben zumeist keinen Sinn für Feinheiten. Während Erwachsene darauf programmiert sind, ihre Leidenschaften und Laster mit einer Reihe von Ausreden wegzuerklären (»Ich mag Reality-TV ja eigentlich nicht, aber gelegentlich finde ich es ganz interessant, um zu verstehen, wie der Pöbel so denkt …«), finden es Kinder völlig normal, diverse alberne Dinge zu mögen, ohne sich dafür zu rechtfertigen.
Und obwohl wir es nur ungern zugeben, sind wir Kindern ähnlicher, als uns lieb ist. Wir mögen darauf konditioniert sein, es abzustreiten, doch in Wirklichkeit liebt jeder von uns alberne oder dumme Dinge, Spielzeug und Nippes. Natürlich sind wir alle Meister darin, diesen Impuls durch geschickte Umbenennung zu kaschieren, und wir schätzen es gar nicht, wenn man unsere geliebten Ausgaben mit diesen (zutreffenden) Bezeichnungen versieht, doch das ändert nichts an der Tatsache. Denken Sie etwa an Inneneinrichtung. Niemand, der noch klar bei Verstand ist, wird ernsthaft behaupten, dass die enormen Geldsummen,die in Designervasen oder Luxusmaterialien fließen, aus rein funktionalen Gründen gerechtfertigt seien oder dass die Anschaffung der neuen Küche oder des italienischen Designersofas eine lebensentscheidende Frage sei. Nein, es sind kindische und unnötige Dinge, Frivolitäten. Ihr geliebtes Heimkino ist nichts weiter als eine andere Ausgabe einer Barbie-Puppe oder Actionfigur, genauso unnötig und albern.
Aber das macht nichts!
Es spricht überhaupt nichts dafür, dass unsere Vorliebe für das Unnötige, Protzige oder Frivole ein Problem oder eine Schwäche darstellt. Ganz im Gegenteil!
Ohne Frivolität läuft nichts
Wenn die Menschheit nur das Überlebensnotwendige konsumierte, würde jeder einzelne Teil der Weltwirtschaft unmittelbar in sich zusammenbrechen. Mit Ausnahme einiger besonders notleidender Menschen leitet sich der meiste Konsum aus dem menschlichen Verlangen nach dem Belanglosen ab. Das gilt selbst für die ärmeren Länder. Die Naturvölker der Anden geben ihr sehr bescheidenes Einkommen für farbenfrohe
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