Gefährliche Ideen
ein Primärantrieb und dazu ein besonders wichtiger und fundamentaler. Viele Menschen, die sich mit kreativen Tätigkeiten beschäftigt haben – sei es als Mitglied einer Musikband, durch Interesse an Theater oder einfach durch eine Vorliebe für Kreativitätsseminare –, taten dies aus einem einfachen Grund: Sie hofften, damit ihre Chancen auf schnellen Sex zu erhöhen. Diese Ansicht ist übrigens wissenschaftlich untermauert! In ihrem brillanten Artikel »Schizotopy, creativity and mating success in humans« (veröffentlicht in
Procedures of Biological Science
, Bd. 273, 2006) beschäftigen sich D. Nettle und H. Clegg mit dem alles entscheidenden Aspekt von Kreativität: »Haben kreative Menschen mehr Sex als andere?« Und siehe da, die Antwort ist ein aufrichtiges »Ja!« Wenn Sie nun immer noch nicht daran glauben, dass Ihnen dieses Buch etwas Wichtiges mitzuteilen hat, werden wir wohl nie miteinander warm werden. Doch ich weiß vermutlich rechtgut, wie Ihr Gehirn arbeitet, und bin mir Ihrer Vorlieben recht sicher – also zieren Sie sich nicht länger. Lassen Sie uns ein wenig obszön werden – einverstanden?
Möchten Sie Querkopf Null sein?
Beginnen wir mit einem kleinen Beispiel: Warum hat es so unendlich lange gedauert, bis die Kosmetikbranche hochwertige Hautpflegeprodukte für Männer auf den Markt brachte? Noch vor wenigen Jahren waren Produkte, die sich an Männer richteten, austauschbare Unisex-Artikel ohne klare Markenbildung. Heute boomt die Marktnische für Körperpflegeprodukte für die Herren der Schöpfung, und es besteht kein Zweifel mehr, dass für diese Produkte eine Nachfrage besteht. Doch warum musste erst so viel Zeit verstreichen? Manch einer würde behaupten, dass Männer bis vor kurzem einfach noch nicht zum Kauf solcher Artikel bereit waren und diese mit zunehmender Nachfrage auf den Markt kamen. Aber natüüüüürlich, sicher doch …
Nein, so funktioniert Konsum nicht. Niemand schrieb wütende Briefe an L’Oréal, um sich über den Mangel an Körperpflegeprodukten für Männer zu beschweren, und kein Mann träumte insgeheim von dem Tag, an dem er endlich viel Geld für eine Creme namens Daily Moisture Defense Lotion ausgeben konnte. Stattdessen entdeckten Männer (und bisweilen deren Partnerinnen) die Produkte in den Regalen und begannen sie sofort in rauen Mengen zu kaufen. Warum also taten sich die Unternehmen mit der Einführung so schwer?
Die Antwort liegt für mich auf der Hand. Das Problem war nicht ein etwaiger Mangel an Kreativität der begrenzteren Variante; vielmehr erforderte eine so radikale Innovation eine ganz besondere Entscheidung in den Unternehmenszentralen. Ich bezeichnedies als Prinzip des Querkopfs Null (vergleichbar dem Patienten Null bei pandemischen Ausbrüchen). Oft möchte niemand der erste Querkopf sein, der mit althergebrachten Normen bricht. Niemand will als Erster die Identität und das Selbstbild des eigenen Unternehmens infrage stellen. Wir möchten als normal gelten, wie andere sein, und fürchten uns davor, als Sonderling oder komischer Kauz abgestempelt zu werden.
Die mit neuen Ideen verknüpfte Unsicherheit wird in Büchern über Kreativität regelmäßig thematisiert, doch die Analyse konzentriert sich zumeist auf die Angst vor Kritik. Diese Sichtweise ist aber gefährlich eng. Natürlich sind derartige Ängste sehr berechtigt, dennoch handelt es sich dabei um ein oberflächliches Phänomen, das allein noch nicht erklärt, warum Kreativität oft stockt. Obwohl die Frage, ob eine neue Idee wohl Anklang findet, ein Gefühl der Besorgnis auslöst, ist dies doch nebensächlich angesichts der viel größeren Furcht, als kauzig oder verrückt zu gelten. Im ersteren Fall wird man schlimmstenfalls als ein wenig dumm angesehen, während im letzteren Ihre gesamte Identität infrage gestellt wird. Wer nach einer törichten Meinungsäußerung bei einem Meeting in sein Büro zurückkehrt, wird nicht allzu angegriffen sein, wohingegen eine Idee, die akzeptierte Normen und Identitäten infrage stellt, oft dazu führt, dass man über diesen einen, mit Norm(alität)en brechenden Vorfall definiert wird.
Im Falle der Feuchtigkeitscremes für Männer wollte niemand derjenige sein, der die konventionelle Sichtweise infrage stellte, dass alle Männer harte Kerle sind, voller Saft und Kraft, kompromisslos heterosexuell und niemals so verweichlicht, um Hautpflegeprodukte zu verwenden – eher würden sie sterben. Übersehen wurde dabei allerdings das kleine, aber
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